Tempeltänze
sind nun ein Bestandteil der klassischen darstellenden Künste
geworden und werden in den Medien ausführlich gewürdigt. Die
religiöse Kunst hat auch ihren Einzug in die Wohnzimmer der
Elite gehalten; moderne Familien studieren zudem Sanskrit, um
Namen für ihre Kinder zu finden.
Indien gleicht in gewisser weise einem großen Meer, stets
bereit, andere Kulturen zu assimilieren. Dies mag jenen
seltsam erscheinen, welche die indische Lebensart als
dogmatisch betrachten. Das Land ist gegenüber fremden
Einflüssen, etwa durch Handel oder Invasionen, immer offen
gewesen und hatte innerhalb Asiens Verbindungen zu China,
Ägypten, der Mongolei, Afghanistan, Tibet, Burma und Sri Lanka
sowie zu den Engländern, Franzosen, Portugiesen und Holländern
aus Europa, die sämtlich Kolonien einrichteten, um den Handel
zu kontrollieren und später die natürlichen Ressourcen des
Landes zu nutzen. All diese Völker haben Kulturen
hinterlassen, die sich auf einzigartige Weise zu einer
indischen vermischten.
Indien ist gleichermaßen von diesen Invasoren, Siedlern und
Kolonialisten beeinfluß worden. Wer ist also der wahre Inder?
Der derzeitigen Theorie zufolge waren die Drawiden die
ursprünglichen Siedler, die schließlich von den einwandernden
Ariern Richtung Süden verdrängt wurden. Die hinduistische
Lebensart ist sicherlich im tiefen Süden am besten erhalten.
Die diversen Teile des Landes sind für ihre Eigenheiten
bekannt geworden: Südindien ist die intellektuelle Hochburg
des Landes, die viel zur Wissenschaft des Indiens (und zur
Satire) beigesteuert hat; die Bengalis aus Ostindien werden
als jene betrachtet, die eine gute Debatte genießen (oft dann,
wenn dazu kein Anlaß besteht!); die Nordinder gelten als
kernige und zupakkende Arbeiter. Zusammen bilden sie ein
ganzes, wenn auch enigmatisches Indien, ein riesiges Land, das
darum ringt, eine Macht des 20. Jahrhunderts zu werden und
gleichzeitig seine alten Traditionen zu bewahren. Auf seine
eigene charakteristische Weise wird Indien wahrscheinlich
beides mühelos kombinieren – wenigstens aus der eigenen Sicht
-, während der Rest der Welt seine Widersprüchlichkeiten
auszumachen versucht.
Künstlerische
Einflüsse
Die Tradition der indischen Kunst reicht über 8000 Jahre
zurück – ein Vermächtnis, dessen sich nur wenige Nationen
rühmen können. Die ältesten bekannten Kunstformen sind
Felsmalereien der prähistorischen Steinzeit (des späten
mensolithisch-neolithischen Zeitalters von 6000 bis 300 v. Chr).
Es sind hauptsächlich lineare Zeichnungen von Tieren wie
Elefanten, Bisons und Hirschen sowie von Jagdszenen, deren
Darstellung in roten und gelben Ockerfarben erfolgte. Im
letzten Abschnitt dieser Periode sind auch handgeformte
Tonfigurinen einer Muttergöttin entstanden.
Die
Industal-Zivilisation
existierte zur gleichen
Zeit wie jene des Nil-Tals und befand sich von 3000 bis 1500
v. Chr. auf ihrem Höhepunkt. Sie verfügte über einen
florierenden Seehandel sowie über gut geplante Stadtgemeinden
mit Häusern, die mit Innenhöfen, Badezimmern und einem
ausgeklügelten Abwassersystem versehen waren. Dieser Periode
sind die ältesten bekannten indischen Skulpturen
zuzuschreiben; Gemälde sind jedoch nicht erhalten geblieben.
Die bekanntesten Skulpturen, Darstellungen einer Muttergöttin,
sind durch große Brüste, einen fülligen Bauch und den
Kopfschmuck gekennzeichnet. Sie wurden wahrscheinlich bei der
täglichen Götterverhrung verwendet. Weitere erhaltene
Gegenstände sind Tonsiegel mit Abbildungen von Tierfiguren
(Elefant und Stier) sowie mythische Kreaturen, die dem
sagenhaften Einhorn gleichen. Eine der schönsten Ausgrabungen
des Indus-Tals ist die Bronzefigur eines nackten, tanzenden
Mädchens, die eine ungewöhnliche Dynamik ausstrahlt.
Eine der größten Kunstdynastien waren die Mauryas, die Indien
während des 3. Jahrhunderts v. Chr. beherrschten. Auch hier
nahm die Bildhauerei eine zentrale Stellung an; sie ist nicht
nur Ausdruck des kreativen Schaffens, sondern auch Symbol des
immer mächtiger werdenden Reiches. Die Bildhauer der Mauryas
zeichneten sich durch eine exzellente Technik bei der
Darstellung sowohl von Menschen als auch von Tieren aus. Der
größte der Maurya-Kaiser war Ashoka, der nach einer
siegreichen wenn auch blutigen Schlacht zum Buddhismus
konvertierte. Monolithische Säulen mit buddhistischen
Botschaften, die im ganzen Land verteilt wurden, sind während
seiner Herrschaft entstanden. Diese Säulen sind mit im Detail
dargestellten Tieren wie dem Stier oder dem Elefanten
versehen. Eine Maurya-Säule mit vier Löwen (die im Museum von
Sarnath aufbewahrt wird) wurde zum Siegel und Symbol des
unabhängigen Indien erkoren. Die Grazie der Maurya-Figuren ist
unverwechselbar, wie etwa jene der lebensgroßen Statue einer
Dienerin mit großen Brüsten und schmaler Hüfte, die einen
Wedel halt; ihr Sari bedeckt nur die fünf Perlschnüren
befestigt. Dieses schöne Beispiel der Maurya-Skulptur kann in
der Eingangshalle des National Museum von New Delhi besichtigt
werden.
Der einflußreicher werdende Buddhismus prägte viele der
Skulpturen, die während der Sunga- und Satvahana-Dynastien
(200 bis 1 v. Chr.) entstanden. Außer dem bis dahin
verwendeten Stein wurden und auch Knochen, Terrakotta,
gebrannter Ton, verarbeitet, und es kam zu einer größeren
Motivvielfalt. Obwohl Buddha von den Künstlern dieser drei
Dynastien nie dargestellt wurde, hat sich sein Einfluß in der
symbolischen Verwendung von Stupas, des Dharma Chakra
(heiligen Rad des Gesetzes) oder des Turbans manifestiert. Zum
ersten Mal wurden Friese geschnitzt, die Szenen aus dem Leben
Buddhas darstellten.
Schwere Skulpturen waren an der Tagesordnung, und Fundgruben
buddhistischer Kunst aus dieser Periode hat das ganze Land zu
bieten: in Sanchi, in der Nähe von Bhopal, Udaygiri in
Khan-dagiri in Orissa, Bodh Gaya in Bihar, Amaravati im Süden
und Bhaja im Westen. An diesen Orten sind Stupas oder
Grabhügel von Relieftafeln umgeben, welche die früheren
Inkarnationen Buddhas und Szenen aus den Jatakas (der
kollektive Begriff für buddhistische Literatur) darstellen.
Dazu gehören Abbildungen von Volksgottheiten wie den
sinnlichen Shalbhanjikas (nackte Frauenfiguren, die einen
Zweig halten und von denen man annimmt, daß es sich um
Baumgöttinnen handelt).
Es folgten ab 340 v. Chr. die Kushanas, eine Dynastie, die
ihre Ursprünge auf Zentralasien sowie auf Griechen und Römer
zurückführte Die Buddhafigur erlangte in dieser Zeit
Popularität, und der Erleuchtete wird mit gewissen
griechisch-römischen Stilelementen porträtiert, was die
Haartracht, Kleidung und sogar die Gesichtszüge angeht. Drei
Hauptschulen indischer Kunst verdanken ihre Ursprünge dieser
Geschichtsperiode. Es handelt sich um Gandhara (mit stark
hellenistischen Einflüssen), Mathura und Amravathi.
Doch eine bekanntere Darstellung des Buddha entwickelte sich
unter der Gupta-Dynastie (350 bis 500), welche das klassische
Zeitalter der indischen Kunst einleitete. In der Gupta-Kunst
verband sich die Formvollendung der Skulptur mit einem
einzigartigen Geist der Ruhe und Gelassenheit. Die Gupta-Kunst
war auch minimalistisch, verzichtete auf die übermäßige
Wiedergabe von Schmuck und Kleidung und hielt sich an
einfache, fließende Linien, die den Körper betonten und
Elemente wie Kleidung nur andeuteten.
Ungefähr zur gleichen Zeit entstanden die Höhlengemälde von
Ajanta und Ellora mit einem Sinn für Detail und einer
Qualität, die man sonst in der Höhlenkunst weltweit nicht
findet. Die Malereien sind erst Anfang dieses Jahr-hunderts
entdeckt worden, da die Höhleneingänge vom Dschungel
überwuchert worden waren. Die Gemälde sind sowohl hinduistisch
als auch buddhistisch und die Werke von unbekannten Künstlern.
Man nimmt jedoch an, daß sie von Mönchen geschaffen wurden,
die sich ausgefeilter Maltechniken bedienten. Die Höhlen
wurden aus Fels gehauen, ihre Wände verstärkt, und in manchen
Fällen ähneln die Räume mit ihren Deckenfriesen den Kammern
früherer buddhistischer Gebetshallen. Die Innenwände wurden
beschichtet und mit Episoden aus Buddhas Leben, mit
Geschichten aus der jataka und Hofsze-nen jener Epoche bemalt.
Die schwindende Macht der Guptas im Norden hatte eine größere
Sensibilität für Kunst im Süden zur Folge. Die Skulpturen und
Gemälde wurden stilisierter und mit reicherer Ornamentik
gestaltet. Die dargestellten Haltungen diktierten die Bräuche
und die Tradition, etwa bei den Pallava-Werken von
Mahaballipuram in der Nähe von Madras und Aihole in Karnataka
(500 bis 800). Während unter der Pallava-Dynastie vornehmlich
Stein verwendet wurde, bevorzugten die Cholas (800 bis 1200)
Bronze. Eines der schönsten Beispiele indischer Kunst, der
Nataraja oder Tanzende Schiwa, stammt aus dieser Epoche.
Schiwa, der Gott der Zerstörung, wird den kosmischen Tanz der
Zerstörung ausführend dargestellt: Er tanzt mit einem ruhigen
Gesichtsausdruck, während seine Körperhaltung und die Hände
Energie ausstrahlen und das Universum um ihn in Flammen
aufgeht.
An dieser Stelle gilt es, das hohe handwerkliche Können in der
bildhauerischen Gestaltung des menschlichen Körpers zu
betonen; am eindrucksvollsten manifestiert es sich in den
Tempeln von Khajuraho. 85 in einem Zeitraum von über 100
Jahren entstandene Tempel feierten die menschlichen
Leidenschaften in einem Amphitheater des Lebens, das auf
eigenartige Weise mit der Religion verknüpft ist. Von diesen
Tempeln sind nur 22 überiggeblieben. Jede nur zur Verfügung
stehende Fläche ist mit Skulpturen und Reliefs versehen, und
während man aus internationaler Sicht vor allem den erotischen
Skulpturen Beachtung schenkte, sind auch Götter und Göttinnen
dargestellt. Obwohl reich verzierte Tempel im
mittelalterlichen Indien die Norm waren, trifft man eine
solche Fülle und Detailarbeit sonst nirgends auf dem
Subkontinent an, nicht einmal in Bhubaneshwar,
Die indische
Kunst
erreichte unter der Schirmherrschaft der Mogul-Höfe inren
Höhepunkt. Die ersten Versuche, Malerei zu konservieren,
fanden im 9. Jahrhundert statt, als die Pala Herrscher
Ostindiens kanonisches Recht durch II-lustrationen auf
Palmblättern festhielten. Jain-Manuskripte verwendeten ab dem
13. Jahrhundert Kalligraphie und lIIustrationen, und die
Mogul-Herrscher akzeptierten nur die feinste
Illustrationskunst für ihre Tagebücher.
Die Mogul-Herrscher und besonders Akbar (1556 bis 1605) ließen
an ihren Höfen spezielle Werkstäten für Maler einrichten. Ihre
Hauptaufgabe war es, die Geschichte der Mogul-Macht in Indien
zu dokumentieren und die täglichen Ereignisse am Hofe des
Kaisers festzuhalten. Mogul-Miniaturen haben einen
unverkennbaren Stil. wenn sie auch von der Größe her nicht
alle. als Miniaturen eingestuft werden können. Feinste
Detailarbeit fand bei Gegenständen wie Schmuck sowie
Kleidungsmotiven oder den Blumenmustern eines Teppichs
Berücksichtigung. Manche der besten Mogul-Miniaturen wurden
verwendet, um die Manuskripte der Baburnama und Akbarnama zu
illustrieren. Unter Akbars Sohn Jahangir (1605 bis 1627)
führte die Mogul-Miniaturkunst auch neue Themen, etwa aus der
Natur, ein.
Mogul-Künstler,
die auf dem Gebiet der Miniaturmalerei ausgebildet waren,
wurden von den Rajput-Herrschern Rajasthans sowie vom
puritanischen Aurangzeb in der Himachal-Provinz gefördert.
Dies führte zur Entwicklung jener Kunstformen, die sich
lokaler Elemente bedienten, und zu neuen Schulen der Kunst wie
jenen von Bikaner, Jodhpur, Jaipur, Kishangarh, Kotah, Bundi
in Rajasthan, Kangra, Nurpur, Chamba, Basohli, Guler und Kullu,.
Sie entstanden zwischen Mitte des 17. und dem 19. Jahrhundert.
Interessant ist, daß unter dem Einfluß der Hindus die
Gesichter der dargestellten Figuren gelassen auf den
Betrachter blicken, während die Symbole stimmungsvoll sind.
Die britische Besetzung Indiens trug wenig zur Förderung der
indischen Kunst bei, da die Engländer diesbezüglich wenig
Verständnis entwickelten. Die von ihnen etablierte Company
School (1800 bis 1900) legte auf eine realistische Darstellung
der indischen Landschaft wert, die im Lande selbst kaum
Anklang fand. Zu dieser Zeit begann sich eine neue Richtung
der Volkskunst zu entwickeln, deren beste Beispiele die
Fresken der Shekhawati-Region in Rajasthan sind. Die Häuser
der reichen Händler waren mit religiösen wie auch weltlichen
Volks-gemälden ausgestattet; sie bedeckten jede Wandfläche und
sogar Säulen und Decken. Diese Bilder waren oft ein recht
netter Anblick und manchmal eigenartig (besonders wenn ein
Künstler Objekte malte, die er nie gesehen hatte, die ihm aber
wahrscheinlich vom Auftraggeber beschrieben worden sind: etwa
ein Auto, ein britisches Paar beim Abendspaziergang oder ein
Flugzeug). Mitunter kam es auch bei der Darstellung der
Objekte zu amüsanten Kombinationen: Der Affengott Hanuman
chauffiert zum Beispiel einen Rolls Royce – wahrscheinlich um
Rama und Sita stilgerecht abzuholen. |
Frühe indische
Dichter und ihre Werke
Manu: 2000v.Chr. Wegen
seines Werkes Manu Smriti (Der Kodex von Manu) als Gesetzgeber bekannt.
Valmiki: 6. Jahrhundert
v.Chr. Der epische Sanskrit Dichter des Ramayana.
Vyasa: 6. Jahrhundert
v.Chr. Der Sanskrit-Dichter des Mahabharata.
Chanakya: 4. jahrhundert
v. Chr. Ein erfahrener Politiker; sein Werk über Diplomatie und Staatskunst
heißt Artha Shastra.
Bhadrabahu: 4.
Jahrhundert v. Chr. Autor des Kalpasutra (Zeremonieanleitung).
Panini: 4. Jahrhundert v.
Chr. Ein Sanskrit-Grammatiker. Sein Werk: des Ashtadhyayi.
Gunadhya: I. Jahrhundert
v.Chr. Sanskrit-Autor, an den man sich wegen seiner Sammlung von Geschichten
erinnert: Bharat Katha.
Hala: 1. Jahrhundert.
Dichter-König des Saptasati (Sanskrit).
Asvagosha: 1.
Jahrhundert. Sanskrit-Dichter, dessen berühmtes Werk Buddhacharita die
Geschichte Buddhas erzählt.
Kalidas: 5. Jahrhundert.
Sehr produktiver Sanskrit-Dichter, am besten für seine romantischen Werke
Shakuntala, Kumara Sambhavom und Meghdoot bekannt.
Bhasa: 5. Jahrhundert.
Sanskrit-Autor von 13 Stücken.
Vatsayana: 5.
Jahrhundert. Schrieb über die Kunst des Sex; Autor des berühmten Kamasutra.
Bharavi: 6. Jahrhundert.
Sanskrit-Dichter.
Kumaradasa: 6.
Jahrhundert. Sanskrit-Dichter und Schöpfer des Janakiharana.
Visakhadatt: 6.
Jahrhundert. Sanskrit-Dramatiker des Madra Rakshasa und Devi Chandragupta.
Amaruka: 7. Jahrhundert.
Sanskrit-Dichter.
Magha: 7. Jahrhundert.
Sanskrit-Dichter.
Bhartruhari: 7.
Jahrhundert. Sanskrit-Dichter.
Bhatti: 7. Jahrhundert.
Sanskrit-Dichter.
Dandin: 7. Jahrhundert.
Sanskrit-Prossautor des Dasakumara Charita.
Bhavabhuti: 8.
Jahrhundert. Sanskrit-Dramatiker.
Vakpati: 8. Jahrhundert.
Sanskrit-Dichter.
Rajasekhara: 10.
Jahrhundert. Der romantische Dramatiker des Karpoora Manjari.
Somadeva: 11.
Jahrhundert. Sanskrit-Dichter. Geschichtensammlung: Katha Sarit Sagara.
Vijneswara:
11.Jahrhundert. Autor der Abhandlung über das Hindu-Vermächtnis: Mitakshara.
Sandhyakara: 12. Jahrhundert. Sanskrit-Dichter des Rama Charitha.
Bilhana: 12. Jahrhundert.
Sanskrit-Dichter.
Jayadeva: 12.
Jahrhundert. Sanskrit-Dichter des berühmten Gita Govinda, eines himmlischen
Gesangs.
Jimutvahana: 12.
Jahrhundert. Abhandlung über das Hindu-Vermächtnis: Dayabhaga.
Kalhana: 12. Jahrhundert.
Sanskrit-Autor von Rajatharangini (Fluß der Könige).
Narayana: 12. jahrhundert.
Geschichtenerzähler. Hauptwerk: Hitopadesa. Naya Chandra Suri” 14. Jahrhundert.
Sanskrit-Dichter: Hamira Mahakavya (das Epos von Hamira). |
LEBENDES MUSEUM
In der südwestlichen Ecke von Pragati Maidan liegt gegenüber den imposanten
Ruinen des Alten Forts das drei Hektar große Areal des Museums der
traditionellen indischen Handwerkskünste. Kaum ein anderes Land verfügt über
eine ähnliche Vielfalt in diesem Bereich, der durch den Ausdruck ,,Handwerk“
nur unzureichend beschrieben wird. Die Inder machen allerdings selbst auch
keinen Unterschied: in Sanskrit bedeutet shilpi sowohl Künstler als auch
Hanwerker.
Das nationale Kunsthandwerk- und Webereimuseum verfügt über eine Sammlung von
über 20 000 Exponaten, die von Textilien und Terrakotta über Wandgemälde und
Weidenkörbe bis hin zu Spielzeug und Götterdarstellungen reicht. Das Museum hat
es sich zum Ziel gesetzt, die besten Beispiele indischer Handwerkskunst
zusammenzutragen und gleichzeitig für die Wiederbelebung uralter Fertigkeiten
zu sorgen.
Das Hauptgebäude beherbergt Exponate aus Dörfern, Tempeln und Fürstenhöfen
sowie eine Bibliothek und ein Labor zur Restaurierung der älteren,
empfindlichen Stücke. Mit Fingerspitzengefühl hat der Architekt Charles Correa
einen Rahmen geschaffen, der in perfektem Einklang mit den Exponaten steht:
bräunliche Wände, nach oben offene Innenhöfe, umgeben von Veranden mit
traditionellen Ziegeldächern. Vor der Tempelgalerie steht ein rath, ein
gigantischer Holzwagen aus Westindien, auf dem man an Festtagen Bildnisse von
Gottheiten durch die Straßen zog. In dem neu erbauten Museumsabschnitt kann man
ein Havelis, ein traditionelles Holzhaus mit kunstvollen Schnitzereien aus
Gujarat, bewundern. Ungewöhnlich sind auch die riesigen hölzernen Bhuta Statuen
und Stammesgottheiten aus Karnataka.
Die Sammlung seltener Textilien wird ständig von zwei fest angestellten
Webermeistern erweitert, die bis zu acht Monate auf die schwierige Herstellung
traditionell gemusterter Saris verwenden. Einer von ihnen hat sich auf
Brokatstoffe aus Varanasi spezialisiert und ist stolz darauf, eine Arbeit
auszuführen, die von keiner Maschine bewältigt werden kann und hier im Museum
die Zeit überdauern wird.
Ganz in der Nähe liegt der Festplatz, wo von Oktober bis Juni hervorragende
Handwerker aus allen Landesteilen ihr Können unter Beweis stellen und ihre
Werke zum Verkauf anbieten. Miniaturgemälde aus den Bergschulen von Himachal
Pradesch, riesige Terrakottabilder aus Tamil Nadu, Tücher aus Gujarat, ganjifa
oder Spielkarten aus Orissa und Bambusarbeiten aus Assam sind hier zu
bewundern. Schulkinder können unter kundiger Anleitung selbst Hand anlegen und
am Ende stolz mit ihren selbstgemachten Werken von dannen ziehen. Das
Museumspersonal erstellt außerdem eine Bilddokumentation über die hier
gezeigten Techniken, Werkzeuge und Kunstfertigkeiten
Darüber hinaus gibt es auf dem Museumsgelände ein Dorf, dessen Bewohner
traditionelle Häuser und Schreine aus verschiedenen Landesteilen nachgebaut
haben. So findet man etwa ein typisches kleines Haus aus Kulu im
Himalayagebirge oder eine Hütte von den Andamanen sowie ein rundes,
strohbedecktes Haus der Banni-Gemeinde aus Gujarat mit einem mehrstöckigen
Hühnerhaus. Vor der halbrunden Hütte des Toda-Stammes aus dem Nilgiri-Gebirge
stolzieren Pfaue auf und ab.
Die museumseigenen Freiluftbühnen liefern den geeigneten Rahmen für die
Darbietungen ländlicher Künstler und Musik der Dörfer und Stämme Indiens. Die
Museumskataloge geben einen umfassenden Überblick über die Vielfalt der
traditionellen indischen Handwerkskunst. |