Über
das Indus-Tal
Die
bronzezeitliche Indus-Kultur oder Indus-Zivilisation war
eine der frühesten städtischen Zivilisationen, die sich etwa
in den Jahren 2800–1800 v. Chr. entlang des Indus im
Nordwesten des indischen Subkontinents entwickelte. Sie
erstreckte sich über fast das gesamte heutige Pakistan sowie
Teile Indiens und Afghanistans, insgesamt umfasste sie
1.250.000 km² und damit eine größere Landfläche als das
antike Ägypten und Mesopotamien zusammen. Sie war neben
diesen eine der drei frühesten Zivilisationen der Welt.
Die Indus-Tal
Kultur
Über 700 Jahre
lebten die Menschen der Indus-Zivilisation in Wohlstand und
ihre Handwerker fertigten Produkte von großer Schönheit und
Qualität. Ab etwa 2000 v. Chr. kamen anscheinend größere
Probleme auf, deren Art nicht bekannt ist, die aber zeitlich
ungefähr mit Übergangsperioden in Ägypten bzw. Mesopotamien
zusammenfielen (Übergang zum Mittleren Reich in Ägypten,
bzw. Ende des Reiches von Ur-III in Mesopotamien). Die
großen Städte wurden verlassen und diejenigen Einwohner, die
blieben waren unterernährt. Um 1800 v. Chr. waren die
meisten Städte aufgegeben. In den folgenden Jahrhunderten
gingen die Erinnerungen und Errungenschaften der
Indus-Kultur im Gegensatz zu den Kulturen in Ägypten und
Mesopotamien komplett verloren. Die
Harappa-Kultur hinterließ keine Monumentalbauten wie die
Pyramiden in Ägypten oder die zahlreichen Zikkurat-Tempel in
Mesopotamien, die ihre frühere Existenz bewiesen und ihre
Erinnerung lebendig erhalten hätten. Man kann vermuten, dass
dies nicht möglich war, da es im Industal wenig geeignete
Steine gibt; doch gilt das gleiche auch für Mesopotamien.
Eventuell war den Menschen der Indus-Kultur auch das Konzept
von großen Monumentalbauten fremd. Es wurden weder
Königsgräber noch irgendwelche wertvollen Grabbeigaben
gefunden. Männer und Frauen wurden auf gleiche Weise
beerdigt. Diese Indikatoren deuten auf eine wenig
hierarchische Gesellschaft hin.
Man spricht heute nicht mehr von einem relativ plötzlichen
Untergang der Indus-Kultur, sondern von einem allmählichen
Niedergang. In dessen Verlauf ist ein Auflösungsprozess zu
erkennen: Die einheitliche Kultur mit dichtem Handelsnetz
zerbrach in verschiedene regionale Kulturen, die
unterschiedlich stark von der Indus-Zivilisation beeinflusst
waren. Offensichtlich kam es auch zu Migrationen. Einige
Menschen der Indus-Kultur scheinen in Richtung Osten
gewandert zu sein, in die Gangesebene, andere wanderten zur
fruchtbaren Ebene von Gujarat im Süden (West-Indien). Auch
die Keramiktradition überlebte noch einige Zeit. Im
Wesentlichen verschwanden also nicht die Menschen, sondern
ihre Zivilisation: die Städte, die Schrift und die
Handelsnetzwerke. Dieser Niedergang war jedoch nie
vollständig, da viele Zivilisationsmerkmale überlebten und
in spätere Hochkulturen eingingen: handwerkliches Wissen,
Kunst, Landwirtschaft und möglicherweise Elemente der
Sozialstruktur.
Die Gründe für den Niedergang sind unklar. Die vor allem in
der Mitte des letzten Jahrhunderts populäre Theorie, der
Untergang der Induskultur sei allein mit dem Erscheinen
arischer Nomaden im Industal zu erklären, hat heute nicht
mehr viele Anhänger. Heute wird das Zusammenspiel eines
ganzen Bündels von Faktoren ökologischer, klimatischer,
politischer oder auch wirtschaftlicher Art diskutiert, die
im Einzelnen jedoch noch nicht gesichert sind.
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