Das Kloster Phiyang, welches auch als Ga-nan Tashi Chojang
bekannt ist, ist das erste Kloster der
Drikung-Kagya-Dynastie in Ladakh. Bis zum heutigen Tag ist
es ohne Unterbrechung bewohnt.
Ladakh ist wie Tibet ein Land der Legenden, die sich alle um
die Klostergründungen drehen. Auch bei der Gründung des
Klosters Phiyang, fehlen diese Legenden nicht. Die
Gründungslegende beginnt im 16. Jahr-hundert. Der König
Jamyang Namgyal, damaliger Herrscher über Ladakh, wollte das
ewige Wasserproblem in dieser steinigen Wüstengegend ein für
allemal lösen, indem er einen Kanal von Hemis bis
Gum-Ser-Thang errichten ließ. Als der Kanal ausgegraben
wurde, erschien plötzlich eine Schlange aus dem Innern der
Erde. Im tibetischen Buddhismus ist man davon überzeugt,
dass Schlangenwesen, die sogenannten „Nagas“, fließende
Gewässer und Seen schützen. Sollten die Nagas gestört
werden, so kommt Unheil über die Region. Trotzdessen tötete
einer der Arbeiter die Schlange mit seinem Spaten. In dem
Moment als die Schlange starb, bemerkt der König, dass er an
Lepra erkrankt war. Keiner der Ärzte konnte dem König
helfen. Der König befragte daher ein Orakel zu seiner Lage.
Ihm wurde mitgeteilt, dass er nur durch den Lama Denma Kunga
Trakpa geheilt werden könne, der in der Region des Mount
Kailash in Meditation versunken in seiner Höhle sitze.
Sofort schickte der König Botschafter los, die den Mönch
suchen sollten. Sie fanden ihn tatsächlich und luden ihn
ein, mit ihnen zu kommen, um den König von seinen Leiden zu
erlösen. Der Lama zögerte und wollte erst im Mansarovar-See
um Antwort bitten und danach seinen Entschluss verkünden.
Nachdem er am Ufer des Sees meditiert hatte, holte er mit
seiner Hand zwei Steine aus dem Wasser: Ein schwarzer Stein,
trug die Aufschrift “Om mani padme hum”, das wichtigste
Mantra des tibetischen Buddhismus. Der andere Stein stellte
einen Duanens der Milarepa dar, einen der größten Yogis und
Poeten des 9. und 10. Jahrhunderts in Tibet. Durch diese
Zeichen war er sicher , dass er den König heilen und
gleichzeitig in Ladakh für den Buddhismus eintreten konnte.
Nach einer langen Reise wurde der Lama in Shey, einem Dorf
neben Phiyang, unweit von Leh, herzlich von der Bevölkerung
und den Ministern des Königs empfangen. Dann zog sich der
Mönch zur Meditation zurück. Der Zustand des Königs besserte
sich zunehmend bis er vollständig geheilt war. Aus
Dankbarkeit bat der König den Mönchen bei ihm zu bleiben und
sein Lehrer zu werden. Da erklärte ihm der Lama jedoch, dass
seine karmische Verbindung mit ihm einzig dafür bestimmt
war, ihn zu heilen.
Ein Yogi namens Stagstan Raspa aus Tibet sollte aber kommen,
der dann königlicher Lehrer werden würde. Als Belohnung für
den Lama sollte dieser ein Kloster bauen, das der
Drikung-Kagyu-Dynastie gewidmet sei, da es kein Koster
dieser Art in Ladakh gab. Der Lama war einverstanden.
Zusammen mit einem Yak reiste er nach Nordwesten. Einige
Kilometer hinter Leh kam er an ein Feld namens
Thanker-Than-nak, wo er eine Pause einlegte und die Gegend
betrachtete. Das Feld war auf der einen Hälfte schwarz und
auf der anderen Seite weiß. In der Mitte des Feldes schlug
er sein Zelt auf. Von hier aus schaute er in alle
Himmelsrichtungen. Er war begeistert von den drei runden
Felsformationen talaufwärts: Die Hügel sahen aus wie
Tiergestalten. Er konnte einen Frosch, ein Insekt und einen
Fisch erkennen. Als er dann meditiert hatte, sah er die
Figur von Achi Chökyi, eine besondere Schützerin innerhalb
der Drikung Linie in Tibet. Sie ritt auf einem blauen Pferd
und winkte ihm. Dies verstand er als glückverheißendes
Zeichen und beschloss, das Kloster auf diesem Hügel zu
erbauen. Während er Mantren sang, wanderte der Lama den
Hügel hinauf und errichtete hier sein Zelt, in dem er dann
meditierte und betete. Später wuchs an genau dieser Stelle
ein Rosenstrauch mit rosa Blüten, der noch heute im Innern
des Klosters zu sehen ist. Kunga Tragpa ließ dem König die
Botschaft überbringen, er habe einen geeigneten Ort für das
Kloster gefunden. Kurz darauf wurde der Bau des Klosters
gestartet. Mit Hilfe der Dorfbevölkerung wurde das Kloster
stetig erweitert und wuchs so zu einem noch viel größeren
Gebäude. Die Bevölkerung mochte den Lama und sie verehrten
ihn. Daher wurde der Drikung-Kagyu-Mönchsorden in Ladakh
gegründet. Der König vererbte dem Lama Denma-Kunga-Trakpa
die Regionen Sgavon und Shyang. Für rituelle Angelegenheiten
stiftete er zudem die Dörfer Phiyang, Taru, Senmo, Basgo,
Leh, Shyang, Khenma, Digar und Yungru.Heute unterstehen die
Klöster Shyang, Sara, Lamayuru und Sechukul der Kontrolle
des Klosters Phiyang.
Der Gongkhang (Mahakalatempel) ist der älteste Tempel des
Klosters. Er wurde während der Regierungszeit König Jamyang
Namgyals (16.jahrhtunder n. Chr.) gebaut und ausgemalt.
Gongkhang ist eine Kurzform für Gompokhang, Gompo, die
tibetische Bezeichnung für Mahakala. Wie sein Name schon
sagt, ist der Tempel der Schutzgottheit Mahakala geweiht,
der hier in all seinen Formen, mit seinem gesamten Gefolge
abgebildet ist – und die Mönche halten an jedem neunten Tag
des tibetischen Kalenders eine Puja (Gebetsritual) ab.
Mahakala – der Große Schwarze” – ist einer der Dharmapapa,
der Schützer der Lehren, und kann zur Unterstützung gerufen
werden. Er ist dei zornvolle Erscheinungsform von
Avalokiteshvara, dem Bodhisattv des Mitgefühls.
Gewöhnlich wird er in blauer Farbe dargestellt. Er hat drei
Augen. Sie symbolisieren sein klares Verständnis der
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Seine Krone aus fünf
Schädeln steht für die fünf Geistesgifte wie Ärger,
Begierde, Unwissenheit, Eifersucht und Stolz.Mit seinen
meist vier oder sechs Armen hält er verschiedene
Gegenstände, mit denen er seine schützenden Qualitäten
veranschaulicht. Seine mit Blut gefüllte Schädelschale zeigt
seine Vorherrschaft gegenüber allen Formen von Übeltätern.
Messer und Schädelschale stehen aber auch für die Einheit
von Erscheinung und Leerheit.
Der Kranz aus Schädeln zeigt die unaufhörliche Anstrengung,
allen fühlenden Wesen zu helfen. Die Handtrommel (tib.
Damaru) kontrolliert alle Dakinis, der Dreizack symbolisiert
seine Macht über die drei Verblendungen (Gier, Hass und
Unwissenheit) und endlich das Lasso, das diejenigen
einfängt, die in Gefahr sind, ihre Gelübde zu brechen. Sein
linkes Bein ist gestreckt und das rechte angewinkelt, zum
Zeichen für seine fähigkeit, in jedem Augenblick allen Wesen
zu nutzen.
Manchmal wird Mahakala gezeigt, wie er auf einem Elefanten
herumtrampelt. Damit beweist er seine Talent, alle
Hindernisse auf dem Weg zur Erleuchtung zu zerstören oder
wegzuschaffen. Er steht auf einer Sonnenscheibe zum Zeichen
seiner Erleuchtung in der Dunkelheit der Unwissenheit. Die
Sonnenscheibe ruht auf einem Lotus, Symbol seiner makellosen
Reinheit. Die Flammen, die von allen Teilen seines Körpers
ausgehen, zeigen seine außergewöhnliche Macht, sämtliche
neurotischen Zustände des Geistes zu verbrennen.Er trägt
einen Lendenschurz aus Tigerfell, eine Schlangenhalskette
und hält eine Elefantenhaut zum Zeichen für die völlige
Bereinigung von Begierde, Ärger und Stolz. |