PIETRA DURA DER MOGULN (Tagesexkursion zum Taj Mahal in Agra)
Intarsien sind seit dem 15. Jahrhundert in Indien bekannt. Großer
Beliebtheit erfreute sich anfänglich Marmor, der in ein weiches Sandsteinbett
eingelegt wurde. Während der ersten drei Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts
vollzog sich in der Architektur und in der Kunst im allgemeinen ein
tiefgreifender Wandel. Im Königreich des Mogulherrschers Jahangir wurden von
den Kunsthandwerkern nunmehr funkelnde, bunte Halbedelsteine und schwarzer
Marmor als Arbeitsmaterialien für die Intarsiatur verwendet.
Marmorintarsien und Edelsteinintarsien beruhen auf zwei grundlegend
verschiedenen Techniken. Da die Moguln jedoch Meister sowohl in der Intarsiatur
als auch in der Bearbeitung von Edel- und Halbedelsteinen hatten, lag eine
Verschmelzung zur Pietra dura nahe. Die Intarseure hatten bei der Entwicklung
der Pietra-dura-Motive keineswegs freie Hand, sondern mußten sich an die
Wünsche und Vorstellungen ihrer Auftraggeber halten. Jahangir z. B hatte eine
Vorliebe für Kelche und Blumen, die er als Pietra-dura-Motive in seine Bauwerke
einarbeiten ließ. Im Gedenken an ihren verstorbenen
Mann ließ Königin Nurjahan die Grabstätte bei Lahore mit seinen
Lieblingsmotiven ausschmücken. Ihre volle Blüte erreichte die Intarsiatur unter
Shahjahan. Jahangirs Motive wurden weitgehend übernommen, weiterentwickelt und
verfeinert. Shahjahans Paläste in Agra und das märchenhafte Taj Mahal sind
Musterbeispiele hochentwickelter Mogul´-Intarsiatur.
Selbstverständlich erregten die feinen Pietra-dura-Arbeiten gleichermaßen
Gefallen bei großen Mogulherrschern wie reichen Adeligen und Kaufleuten, nur
konnten letztere mit den Märchenpalästen ihrer Regenten freilich nicht ganz
mithalten. Sie verlegten sich somit auf das Sammeln von aus Italien
importierten Kunstgegenständen. Der französische Juwelier Tavernier berichtet
von einem Geschenk, das er Aurangzebs Onkel, Nawab Jafar Khan, am 12. September
1665 überreichte. ,,Ein Brett, bestehend aus 19 Teilen, die man zu einem
Kästchen zusammensetzen konnte, alle verziert mit bunten Edelsteinen, die
verschiedene Tiere und Blumen darstellen. Das Werk wurde in Florenz gefertigt
und kostete 2150 Pfund.“ Im Florenz der Medici entstande Pietra-dura-Arbeiten
die weder in ihrer Pracht noch in ihrer Ausarbeitung mit der indischen
Intarsiatur konkurrieren konnten. Die Bedeutung, die dieses Kunsthandwerk in
Lahore und Agra Mitte des 17. Jahrhunderts angenommen hatte, schließt eine
mögliche Übernahme der zeitgleichen, aber viel kleineren Strömung in Florenz
aus. Als die indischen Kunsthandwerker in den vierziger Jahren des 17.
Jahrhunderts die Grabeinfassung für Mumtaz Mahal mit prächtiger
Pietra-dura-Ornamentik verzierten, standen sie auf einer Entwicklungsstufe in
der Intarsiatur, die nie vom Florenz der Medici erreicht wurde.
Als Shahjahan ein Jahrzehnt später seine Festung in Delhi baute, tat er es
seinen reichen Untertanen gleich und kaufte Kunstgegenstände aus Italien. Die
Nische hinter seinem jarokha-Thron ist mit Platten im Florentiner Stil
ausgelegt. Erinnert man sich daran, daß Jahangirs Künstler ein religiöses Bild,
das Sir Thomas Roe dem Mogulherrscher als Geschenk überreichte, so getreu
nachbilden konnten, daß Jahangir das Original nicht von der Reproduktion zu
unterscheiden wußte, so ist es auch vorstellbar, daß Shahjahans Kunsthandwerker
ein halbes Jahrhundert später in der Lage waren, Pietra-dura-Dekorationen mit
ausländischen Motiven anzufertigen. Die indische Pietra-dura-Kunst ging nicht
aus der florentinischen hervor, sondern entwickelte sich zeitgleich, ohne sich
jedoch italienischen Einflüssen zu verschließen.
Tagesexkursion zum Taj Mahal in Agra (Besichtigung , Architektur & Geschichte):
Von den
bunten, phantastischen Anekdoten, die sich um das Taj Mahal ranken, wurden
viele erst unter der Herrschaft der Briten im 19. Jahrhundert in Umlauf
gebracht. In den meisten Geschichten wird die Errichtung des Grabmals
europäischen Architekten zugeschrieben – allem authentischen zeitgenössischen
Beweismaterial zum Trotz, das eingemeißelt in Stein Shahjahan und seinen
leitenden Architekten als Bauherren ausweist.
Als Symbol ewiger Liebe hat das Taj Mahal den Namen der Lieblingsfrau
Shahjahans – Mumtaz Mahal, ,,Licht des Palasts“ – unsterblich gemacht.
Shahjahan und Mumtaz Mahal galten als unzertrennlich. Weder bei Hofe noch im
Kampf gegen Feinde wich die Maharani von der Seite ihres Gatten. Am 28. Juni
1631 starb Mumtaz Mahal bei der Geburt ihres 14. Kindes. Wie in einem 1854
erschienenen Buch über die Geschichte des Palasts nachzulesen ist, hat die
Maharani ihren
Tod vorausgeahnt:,, Wenn ein Kind vor seiner Geburt stirbt“, sagte sie zu ihrem
Gatten, ,,stirbt auch die Mutter. Deshalb muß ich mich darauf vorbereiten,
diese Welt zu verlassen.“ Sie nahm ihrem Mann das Versprechen ab, nach ihrem
Tode nicht wieder zu heiraten und ,,für sie das schönste Grabmal zu bauen, das
die Welt je gesehen hat.“
Der Wahrheitsgehalt dieser rührenden Geschichte wird zumindest teilweise durch
die Tatsache bestätigt, daß Shahjahan tatsächlich nicht wieder geheiratet und
sein Versprechen mit dem Bau des prächtigsten Mausoleums der Welt eingelöst
hat.
Um sein Projekt in die Tat umzusetzen, rief Shahjahan die besten Handwerker
seines Landes und der islamischen Nachbarstaaten nach Agra. Lange Zeit war
unklar, wer für die künstlerische Gestaltung des Bauwerks verantwortlich
zeichnete. Das Gerücht, daß Geronimo Veroneo der wahre Baumeister des Grabmals
gewesen sei, wurde von einem Pater
Manrique in die Welt gesetzt. Der Italiener starb aber als Unbekannter bereits
15 Jahre vor Fertigstellung des Projekts. Noch unglaubwürdiger als Baumeister
ist Austin de Bordeaux, der 1632 (ein Jahr bevor mit dem Bau des Grabmals
begonnenen wurde) verstarb. Abgesehen von den recht eindeutigen Hinweisen, die
historische Quellen liefern, läßt auch Ustad Hamids Grab keinen Zweifel daran,
daß er sich als mimar-i-kul, als leitender Architekt, um das prächtige
Mausoleum verdient gemacht hat: Auf dem Grabstein sind die bedeutendsten Werke
dieses Architekten eingemeißelt: die Festung von Agra, Jama Masjid in Delhi –
und das Taj Mahal.
Das große Mogul-Projekt wurde von zahlreichen Fachleuten ausgeführt, deren
einziges Ziel darin bestand, die Wünsche ihres königlichen Meisters getreu in
Stil, Form und Dekoration umzusetzen. Gewöhnlich wurde ein amir, ein
hochrangiger Adliger, mit der Bauaufsicht betraut. Im Fall des Taj Mahal gab es
wegen der Größe des Projekts gleich zwei Bauaufseher.
Dem mimar-i-kul kam die Rolle des Koordinators zu, der sich bei der
künstlerischen Ausgestaltung seines Herrn zu orientieren hatte. So wie bereits
sein Großvater Akbar den Bauwerken in Agra und in Fatehpur Sikri eine
persönliche Note verliehen hatte, ließ auch Shahjahan viel von seiner
künstlerischen Schaffenskraft in das Taj Mahal einfließen.
Ein Großteil
der detaillierten Pläne, die der mimar-i-kul zusammen mit seinen Assistenten
entworfen hatte, gingen wahrscheinlich während des turbulenten 18. Jahrhunderts
verloren. Ein Grabmal vom Zuschnitt des Taj Mahal ist kein Zufallsprodukt. Eine
der Originalzeichnungen tauchte zuletzt 1916 in Agra auf. Sie befand sich im
Besitz eines Nachfahren einer der Architekten, die im Dienste Shahjahans
gestanden hatten. Leider ging auch diese Zeichnung verloren und mit ihr die
Anwort auf eines der vielen Rätsel, die das Taj Mahal umgeben.
Ohne eine perfekte Koordination zwischen Planung und Ausführung, sprich
moslemischen Architekten und hinduistischen Kunsthandwerkern, wäre es wohl
unmöglich gewesen, die einzelnen Elemente der Mogularchitektur zu einem
harmonischen Ganzen zusammenzuflechten. Die Harmonie ist so vollkommen, so
umfassend, daß jedes Element erst durch seine Einbettung in den Gesamtkomplex
voll zur Entfaltung kommt, Wenn auch in der Gestaltung der persische Einfluß
dominiert, findet das Taj Mahal in der Synthese wieder zu seinem indischen
Charakter zurück.
Allein schon die Wahl des Standorts war eine großartige Meisterleistung.
Shahjahan kannte sein Agra, den Lauf des Flusses und die Konturen der
Landschaft. Von seinen Marmorpalästen der Agra-Festung aus muß Shahjahan mit
sehr präzisem Augenmaß die Biegung des Yamuna 800 Meter flußabwärts als
Standort für das Grabmal seiner geliebten Frau auserkoren haben. Die Frontseite
ist von der Festung aus teilweise sichtbar. Wäre des Mausoleum nur etwas näher
zum Fort hin gebaut worden, hätte Shahjahan unr die Mauern des Gartens sehen
können. Hinter der Flußbiegung wäre das Grabmal zu isoliert und zu weit
entfernt gewesen.
Der Charakter des Mausoleums war durch die Todesumstände von Mumtaz Mahal von
vornherein bestimmt. Taj Mahal durfte nicht in einem Charbagh liegen, einem
einfachen Garten in der Form eines Rechtecks, sondern mußte ein Rauza
darstellen, eine Grabstätte mit einer prächtigen Gartenanlage. Am wichtigsten
war aber, daß das Taj Mahal als Urs, als Pilgerstätte diente, da Mumtaz Mahal
während der Geburt ihres Kindes starb und damit zur Märtyrerin aufstieg. Damals
wie heute werden vor dem Grab Gebete gemurmelt und in dem Kenotaph Stellen aus
dem Koran gelesen. Jeder, der dieses Schauspiel einmal mit - erlebt und gehört
hat, wie die Stimme des Vorbeters in die Höhen der inneren Kuppel aufsteigt und
dort voll und mächtig widerhallt, wird von tiefer Ehrfurcht vor dieser
meisterhaften architektonischen Konstruktion ergriffen.
Der Grabbau ist nicht nur ein Rauza und ein Urs, sondern
dient auch als Baradari oder Festhalle. Ein Jahr nach dem Todestag von Mumtaz
Mahal hielt Shahjahan eine Trauerfeier in seinem Garten ab., in dem eine
provisorische Grabstätte bis zur Fertigstellung des Mausoleums errichtet worden
war. Aus dem Badshah Nama wissen wir, daß der Großmogul bei der Vorbereitung
der Trauerfeier weder Kosten noch Mühen scheute. Eingeladen zu dem rauschenden
Fest waren Ulema (Mitglieder des Klerus), Scheichs und Huffaz (Gelehrte, die
den Koran auswendig aufsagen können), die entsprechend ihres Rang unter den
prächtigen Schirmdächern Platz fanden, Shahjahan war nicht bei allen Festen
anwesend, anfangs weil er in Delhi Unabkömmlich war und später, weil ihn sein
Sohn Aurangzeb in seiner Festung gefangenhielt. Aber auch wenn der
Mogulherrscher nicht immer persönlich die zeremonielle Beschenkung der Armen
anläßlich der Trauerfeier zu Ehren Mumtaz vornehmen konnte, standen immer
Geldmittel für wohltätige Zwecke bereit.
In Abwesenheit Shahjahans blieb es den Architekten überlassen, Baupläne zu
entwickeln, die den Vorstellungen ihres Meisters, des Großmoguls, eine konkrete
Form gaben. Ausgehend von der Zweckgebundenheit des Grabmals als Rauza, Urs und
Baradari, entstand zunächst der Entwurf für die großen Baukomplexe wie etwa für
den Vorhof mit seinen Geschäften und Basaren, den imposanten Torbau an der
Nordwand und den Vorgarten in Form eines charbagh. Der Entwurf für den Garten
beinhaltete die Schaffung rechtwinkliger Achsenkreuze, Kanäle, Wasserspiele und
eines Wasserbeckens in der Mitte.
Der Vorhof ist funktionell ausgelegt, fügt sich jedoch harmonisch in den
Gesamtkomplex ein. Neben dem Westeingang bietet sich auch der Tajganjqasba (Tajganj-Palastbereich)
als Zutrittsmöglichkeit zum Grabmal an. Er führt direkt zu dem prächtigen
dreistöckigen Torbau mit üppiger persischer Ornamentik. Ein imposanter
apsidialer Eingang erhebt
sich über mehrere übereinanderlegende Nischen zu den achteckigen Minaretten,
mit den chhatris aus weißem Marmor. Flankiert von schlanken, anmutigen
Minaretten hebt sich das obere Stockwerk wie ein märchenhaftes Diadem vor dem
Blau des Horizonts ab. Der Eingang ist von Marmorbändern durchzogen. in die
Sprüche aus dem Koran in schwarzen Schiefer eingelassen sind. Die
kalligraphische Ornamentik, die sich überall im Taj Mahal findet, ist das Werk
von Amanat Khan Shirazi, der es sich auch nicht nehmen ließ, seinen Namen in
den Torbau, der direkt zum Mausoleum führt, zu verewigen. Das Tor öffnet zu
einem Kuppelgrab mit herrlicher Stukkatur auf rotem Sandstein.
Von dem Tor
führt ein Kanal zu einem erhöht liegenden, in Marmor eingefaßten Wasserbecken
namens Hauz-i-Kauser in der Mitte des Gartens. Der Hauz-i-Kauser ist der
Ausgangspspunkt von insgesamt vier Kanälen, die den Garten in vier große
Abschnitte unterteilen, die ihrer-seits durch rechtwinklige Achsenkreuze
nochmals gevierteilt sind. Der Ost-West-Kanal zieht sich bis zu den Naubat
khanas (Balkone), auf denen Musiker dem Mogulherrscher nach der Rückkehr von
seinen Reisen einen musikalischen Empfang bereiteten und für das wöchentliche
Urs aufspielten. Früher umstanden prächtige Obstbäume die Lieblingsblumen der
Moguln wie Dahlien, Narzissen, Kaiserkronen, Krokusse und Tulpen. Dem großen
Ansturm von mehreren Tausend Besuchern am Tag sind aber heute ausgedehnte
Rasenflächen und robuste Sträucher und Bäume besser gewachsen. Ein plan der
ursprünglichen Gartenanlage ist in dem kleinen Museum am westlichen Naubat
khana ausgestellt. Ein ganz besonderer Zauber legt sich über den Park, wenn die
Fontänen eingeschaltet werden und das Grabmal in der Ferne unwirklich über den
Wasserspielen zu schweben scheint.
Das mit Marmor ausgekleidete Wasserbecken in der Mitte des Gartens ist ein
symbolisches Element des Bagh-i-Adan, des Garten Eden. Vom
Wasserbecken ist die Frontseite des Mausoleums direkt sichtbar. Es erhebt sich
auf einer Plattform aus Sandstein, die mit ihren 5,5 Metern niedriger als der
6,7 Meter hohe Sockel des Humayun-Grabs in Delhi ist. Auch wenn es das erklärte
Ziel Shahjahans war, mit dem Bau des Taj Mahal alles bisher Dagewesene in den
Schatten zu stellen, gab es für die kleinere Sockelausführung plausible Gründe.
Eine höhere Plattform wäre für die wasserumspülte Trägerkonstruktion zu schwer
gewesen und hätte auch die harmonischen Proportionen des Gesamtkomplexes aus
dem Gleichgewicht gebracht. Wie imposant auch die Sockelkonstruktion des
Humayun-Grabs wirken mag, an Ästhetik steht sie dem Taj Mahal weit nach. Daß
der Standort des Mausoleums und die Mindesthöhe des Trägersockels genial
berechnet waren, zeigte sich auch während der Überschwemmungen 1924 und 1978,
als die Terrasse vollkommen trocken blieb. Auch wenn ästhetische Gesichtspunkte
beim Bau des Sockels im Vordergrund standen, erfolgte die Bauausführung immer
vor Hintergrund gründlicher bautechnischer Überlegungen.
Das Mausoleum selbst ist ein riesiger Marmorblock von 56 Metern Seitenlänge und
56 Metern Höhe. Die Ecken sind abgekantet und mit Nischen verziert. Die
größeren, 19 Meter hohen Nischen werden von zweistöckig angeordneten kleineren
Nebennischen begleitet. Auf einem Tambour ruhend, erhebt sich die Mittelkuppel
mit ihrer Spitze bis auf 72 Meter. Allein die Kuppelspitze ist neun Meter hoch.
Die Terrasse liegt als 95x95 Meter großes Quadrat auf einer Plattform, die sich
von der Moschee im Westen bis zu ihrem Pendant im Osten, dem mihman khana
(Gästehaus), erstreckt.
Vier elegante Minarette, losgelöst von der Grabkammer und doch ganzheitlich mit
ihr verbunden, betonen die vier Ekken des Marmorquaders. Sie bilden mit dem
Mittelbau des Grabs eine Fünfergruppe, ähnlich den hinduistischen
Pancayatana-Tempeln. Die Marmorquader der Minarette werden von schwarzen
Schieferbändern umrandet. Zusammen mit der Blumenornamentik bilden sie einen
interessanten Kontrast zu dem blendenden Weiß des Mausoleums. Über jedes der
drei Stockwerke spannen sich Kuppelgewölbe, die von acht Säulen getragen
werden.
Die Anordnung der Formen und die Ausgewogenheit der Proportionen im Mausoleum
sind eine architektonische Meisterleistung. Die Grabkammer bildet eine
harmonische Einheit für sich, ohne jedoch den ganzheitlichen Bezug zum
Gesamtkomplex zu verlieren. Die Verschmelzung indischpersischer Einflüsse wird
besonders an den achteckigen chhatris deutlich, welche die vier abgefaßten
Ecken des Mausoleums markieren. Geschickt hat hier der Architekt
eine Überladung des Mittelbaus vermieden, indem er die chhatris von der
Mittelkuppel weggerückt und ihnen dadurch sogar noch mehr Eigenständigkeit
verliehen hat. Einen Überblick über die Anordnung der einzelnen Bauelemente
gewinnt man nicht im Mausoleum selbst, sondern nur in einiger Entfernung, wie
etwa vom Wasserbecken Hauz-i-Kauser aus.
Nehmen Sie sich also Zeit für einen beschaulichen Spaziergang entlang dem
Kanal, um das Gesamtbild des Mausoleums mit seinem ehrfurchtgebietenden
Eingangstor und seinen blendend weißen Fassaden, die das gleißende Sonnenlicht
reflektieren, ganz in sich aufzunehmen. Die Atmosphäre, die vom erhabenen Weiß
des Marmorbaus ausgeht, wechselt von Stunde zu Stunde. Die von der grellen
Mittagssonne überbetonten Konturen werden weicher, je näher der Abend rückt,
und verschwimmen schließlich im Schleier der Dämmerung. Vom Mittelbecken dem
Hauptkanal folgend, erreichen Sie eine schmale Treppe, die Sie zu einer
Terrasse führt. Halten Sie inne, um jetzt die Nuancen des imposanten Torbaus
auf sich wirken zu lassen. Inschriften aus dem Koran, meisterhaft ausgeführt
von
Hauptportal.
Spätestens jetzt sich Ihnen der Reiseführer an die Fersen geheftet haben und
sich in einem eifrigen Vortrag über die Geschichte und die Bauweise des Taj
Mahal ergehen. Lassen Sie seinen Redefluß noch eine Weile an sich vorbeiziehen,
um die prächtige Ornamentik beim ersten Kennenlernen noch in ihrer Gesamtheit
auf sich wirken zu lassen.
Nach der Besichtigung des Inneren der Grabkammer empfiehlt sich ein kleiner
Rundgang um das Grabmal, um die Aufteilung des Raums, die Anordnung der Formen
und die Dekoration an den Außenfassaden im Zusammenhang zu sehen. Der
Haupteingang wird von zwei eleganten Pilastern flankiert. Ihre in Schwarz und
Gelb gehaltenen Mosaikarbeiten ziehen sich als Zickzackmuster über die
Ecksteine nach oben, um sich in Lotusblüten zu öffnen. Dekorative Reinheit und
Einheitlichkeit ziehen sich durch den gesamten Grabkomplex und zollen dem guten
Geschmack Shahjahans Respekt. Hier bewies der Mogulherrscher eher Liebe zum
Detail und maßvolle Zurückhaltung als Verschwendungssucht und übertriebene
Prachtentfaltung.
Wie klein und unwichtig einzelne Details auch erscheinen mögen, sie tragen
wesentlich zum Gesamteindruck bei und machen den ganz besonderen Charme des Taj
Mahal aus.Den Mittelpunkt der Grabanlage bildet der Glaspalast
Aina Mahal, der in einem unterirdischen Gewölbe die sterblichen Überreste von
Mumtaz Mahal bewahrt. Dämmerlicht und gedämpftes Gemurmel der Betenden tauchen
Aina Mahal in eine feierliche, andachtgebietende Atmosphäre. Der Kenotaph der Maharani
wird von Nebenräumen umgeben, die durch mehrere Gänge miteinander verbunden
sind. Gebetstexte aus dem Koran, leise intoniert von den Huffaz, die an dieser
Pilgerstätte ihren religiösen Pflichten nachkommen, durchziehen die Kammern und
Gänge und verfangen sich unter dem 24 Meter hohen, kaum sichtbaren
Stalaktitengewölbe, das die Haupthalle überspannt.
Die Mumtaz Mahal und Shahjahan gewidmeten Kenotaphen werden von einer
achteckigen Einfassung von unglaublicher Schönheit umgeben. Sie besteht aus
feingearbeitetem Marmorgitterwerk, das in mit phantastischen
PietraduraIntarsien verzierte Marmorrahmen eingelassen ist. Die Steinmetze des
Mogulherrschers benötigten zehn Jahre, um dieses Meisterwerk fertigzustellen.
Es ersetzte die ursprüngliche Einfassung aus Gold und wertvollen Edelsteinen,
die von den Juwelieren des Mogulherrschers angefertigt wurde. Ohne Zweifel fügt
sich das weiße Marmorwerk besser in die schlichte Gesamtkomposition der
Grabkammern als der übertriebene Prunk einer überladenen Einfassung aus Gold.
Im Untergeschoß wurden die sterblichen Überreste von Mumtaz Mahal und Shahjahan
in zwei nebeneinanderliegenden Grabkammern bestattet. Aurangzeb, ein
fanatischer Muslim mit asketischer Lebensweise, gewährte seinem Vater Shahjahan,
entsprechend seiner Stellung, immerhin die größere Grabkammer. Die sonst
allgegenwärtigen Textstellen aus dem Koran fehlen hier ganz. Die Grabinschrift
in der Gruft Shahjahans hält seinen Todestag fest und erinnert an seine Namen
und Titel, die er zu seinen Lebzeiten führte. In das Grab der Maharani sind die
99 Namen Allahs eingraviert.
Dekorative Kunst in höchster Vollendung stellen die mit prächtigen Mosaiken
verzierten Gedenksteine dar. Brauner und grauer Achat, roter Jaspis und Karneol,
blaugoldener Lapislazuli und grüne Jade sind als Blumenmotive, Arabesken und
traditionelle Teppichmuster so fein in den Marmor eingearbeitet, daß sie wie
aufgemalt wirken. Während der Führung durch die Grabkammer wird Ihnen eine
Mohnblume in der achteckigen Umfassung gezeigt werden, die aus 31 Steinen
zusammengesetzt ist. 64 Steine kann man auf der größeren Blume auf der
gegenüberliegenden Seite zählen.
Zu Shahjahans und Aurangzebs Zeiten waren die Kammern mit kostbaren Teppichen
ausgelegt und mit Kronleuchtern und allerlei Zierwerk ausgestattet. Der
französische Arzt Bernier bestätigte: ,,Man kann sich nichts Schöneres und
Prächtigeres vorstellen.“
Die atemberaubende Schönheit des Taj Mahal wird durch die Abwesenheit
luxuriöser Accessoires nicht geschmälert. Als ob es eine Seele hätte, wechselt
es seine Stimmung nach den Launen des Himmels. Bei Vollmond
funkeln Edelsteine in der hellen Nacht. Einen besonderen Glanz verleiht ihnen
das blaue Licht des Sharad Purnima, des Wintervollmonds, der Ende Oktober über
dem Taj Mahal aufsteigt.
Bei all der Schönheit und Pracht des Taj Mahal darf das tragische Ende seines
Schöpfers nicht vergessen werden. Noch vor der Fertigstellung des Ehrendenkmals
verließ der Großmogul Agra und zog in die traditionelle Hauptstadt Delhi. 22
Jahre nach der Grundsteinlegung kam hinter dem Baugerüst eines der
bedeutendsten architektonischen Meisterwerke dieses Kulturkreises zum
Vorschein. Shahjahan sah das Mausoleum zum letzten Mal in einem kleinen, in
eine Marmorsäule eingelassenen Spiegel in der Festung von Agra, in der ihn sein
eigener Sohn gefangenhielt.
AGRA – STADT DER MOGULN (Tagesexkursion zum Taj Mahal):
Wie Delhi kann Agra seine Stadtgeschichte bis ins Altertum zurückverfolgen.
Agra wäre wohl eine kleine, unbedeutende Siedlung an den Ufern des Yamuna
geblieben, hätten nicht zwei große muslimische Dynastien sie zur Hauptstadt
auserkoren. Im 6. Jahrhundert errichteten die Lodis zwar einige beeindruckende
Gebäude in Delhi, ihren Regierungssitz behielten sie aber in der kleinen
Festung von Agar – dem Ausgangspunkt der wundersamen Verwandlung der Mongolen,
der wilden Reiter, die sogar im Sattel schlafen konnten, in die zivilisierteren
Mughulen, die in den Geschichtsbüchern in einem Atemzug mit urbaner Kultur,
exquisitem Geschmack und großem Reichtum genannt werden. Damit wären wir auch
schon bei den Moguln, der frühen Version unverbesserlicher Glitterromantiker `a
la Hollywood.
Es war Baburs
Enkel Akbar, der Agra zu seinem politischen und kulturellen Aufstieg verhalf.
Zu einer Zeit, in der Europa von Religionskriegen zerrissen wurde, versuchte
Akbar, eine Weltreligion zu gründen. Mochte er noch so viele Gelehrte und
Genies in Agra versammeln, er war mit dieser Idee seiner Zeit zu weit voraus.
Seine Weltreligion blieb ein frommer Wunsch, nicht aber so das Fort von Agra –
auf den Grundfesten der alten Lodi-Burg erbaut – und die Palastanlage hoch oben
auf dem Berg nahe dem Dorf Sikri.
Akbars Sohn Jahangir und sein Enkel Shah Jahan verhalfen Akbarabad (wie
Jahangir Agra nannte) zu einer wirtschaftlichen Blüte, die ihren Ausdruck in
der Entstehung zahlreicher mandis (Großhandelsmärkte) und Basar fand. Agra ist
bekannt für seine feinen Teppiche, seine Schuhe und seine kunstvollen Drachen.
Als Shahjahan die Hauptstadt zurück nach Delhi verlegte, verlor Agra etwas von
seinem Glanz. Die Stadt blieb aber wohlhabend genug, um räuberische Jats aus
Bharatpur anzuziehen, die im 18. Jahrhundert das Fort plünderten und mit der
reichen Beute ihren eigenen Palast in Deeg neu ausstaffierten. Im frühen 19.
Jahrhundert, als die Briten kamen, wurde Agra einer der bedeutendsten
militärischen Außenposten der Ostindischen Kompanie.
Heute sind Agra und seine historischen Gebäude von der Umweltverschmutzung
stark bedroht. Der Schaden, den die wilden
Jatshorden im 18. Jahrhundert in Agra anrichteten, nimmt sich gering aus im
Vergleich zu der Katastrophe, die die Ölraffinerie in Mathura nördlich von Agra
verursacht. Auch in dieser alten Stadt, die seit Jahrhunderten als
Geburtsstätte Krischnas verehrt wird, werden große Anstrengungen unternommen,
um den Fluß zu reinigen und die ghats zu reparieren. Jetzt, wo die warnenden
Stimmen der Umweltschützer anscheinend doch noch Gehör gefunden haben, besteht
Hoffnung für die Erhaltung des reichen kulturellen Erbes der Region.
Auf Wunsch organisieren wir ein Tagestour zum Taj Mahal (Tadsch Mahal) in Agra
oder eine Rundreise worin Taj Mahal & Agra dabei sind.
Das kontroverse Taj Mahal (Tagesexkursion nach Agra):
Das Taj Mahal ist das meistfotografierte und
meistdiskutierte Gebäude der Geschichte. Dem Archaeological Survey of India
zufolge wurde es nicht vom venezianischen Juwelier Geronimo Versoneo entworfen,
sondern von Shah Jahans eigenem Architekten Ustad lahori. Es wurde auch nicht
auf dem Grundstück einer alten Andachtsstätte errichtet, sondern an der Stelle
des Herrenhauses von Raja Man Singh, das seinem Enkel Raja Jai Singh gehörte,
Für das Grundstück erhielt der Raja eine Residenz aus den Kronländereien des
Mogul-Kaisers. Der für das Taj Mahal verwendete Marmor stammte aus den
Marmorsteinbrüchen von Makrana in Rajasthan, einem Gebiet, in dem auch heute
noch hervorragender Marmor gewonnen wird.
Das Taj Mahal wurde zum Gedenken an den Tod von Mumtaz erbaut, die bei der
Geburt ihres 14. Kindes am 7. Juni 1631 starb. Sie wurde vorübergehend in
Burhanpur bestattet. In sechs Monaten brachte Prinz Shuja Nawab Wazir Khan den
Leichnam nach Agra. In jenen Tagen waren Reisen eine langwierige Angelegenheit,
und der Leichnam erreichte sein Ziel am 29. Dezember 1631. Er wurde wieder
unter einer vorläufigen Kuppel begraben, um die das Taj Mahal zu entstehen
begann. Der Bau wurde 1642 fertiggestellt, doch es sollte ein weiteres
Jahrzehnt dauern, bis alle Arbeiten abgeschlossen waren.
In Übereinstimmung mit der islamischen Tradition verwendete man abstrakte
Muster, Blumendekorationen und Kalligraphie bei den in den weißen Marmor
eingelegten Halbedelsteinen.
Shan Jahan beabsichtigte, einen Nachbau aus schwarzem Marmor auf der anderen
Seite des Flusses zu errichten, wurde jedoch von seinem Sohn eingesperrt. Man
bestattete ihn später neben Mumtaz Mahal, da Kaiser Aurangzeb, sein Sohn, nicht
riesige Summen für den Bau eines weiteren Taj verwenden wollte. |