|
|
|
Das rote Fort - Agra |
|
Das
Rote Fort
Mit dem Bau der etwa 2 km
östlich, ebenfalls am Ufer der Yamuna gelegenen Festung hatten
bereits Akbar und Jahangir begonnen. Im Jahre 1565 ersetzte
Akbar ein altes, aus Ziegel gebautes Fort durch eine gewaltige
Anlage, deren Bau acht Jahre in Anspruch nahm. Schutz sollte
eine von zahlreichen Bastionen unterbrochene, in einem
Halbkreis geführte 22 m hohe und 2,5 km lange Mauer mit einem
vorgelagerten 9 m breiten Garben gewähren. Den nördlichen Teil
des Forts nutzt nach wie vor das indische Militär, wodurch
leider auch der Zugang zur Perlenmoschee (Moti Masjid)
versperrt ist. |
|
|
|
Shah Jahan ließ
fast alle Gebäude seiner Vorgänger einreisen und durch
neue, überwiegend mit Marmor verkleidete Bauten
ersetzen. Wie im Roten Fort von Delhi reihen sich die
Privatgemächter entlang der dem Fluß zugewandten Seite
der Festung, und auch sonst weisen beide
Befestigungsanlagen zahlreiche Parallelen auf. Der
Zugang für die Besucher erfolgt heute durch das an der
Südseite gelegene Amar Singh-Tor, das man nach
Überqueren des Wassergrabens betritt. Seinen Namen hat
es vom älteren Bruder des Maharajas von Jodhpur, der
1644 nach einem Handgemenge anläßlich einer Audienz bei
Shah Jahan zusammen mit seinen Gefolgsleuten erschlagen
wurde. Eine lange Rampe fuhrt vom Torbau hinauf zu den
Gebäudekomplexen. Man erreicht zunächst den von Arkaden
umgebenen Hof der öffentlichen Audienzhalle
(Diwan-i-Am). Das flache Gebäude (70 m x 25 m) ähnelt
dem im Fort von Delhi und besteht wie dieses aus drei
Schiffen und neun Jochen. |
|
|
|
In die Ostwand ist eine erhöhte Nische
mit drei Bögen eingelassen, in der der Herrscher sich den
Würdenträger zeigte. Dieser Teil ist denn auch mit Marmor
verkleidet und nicht wie der Rest des Baus mit poliertem
Alabaster. Ein interessantes Detail sind die Baluster
birnenförmige Säulen – in der unteren Hälften der
Nischenwände. Shah Jahan hatte sie auf europäischen
Illustrationen gesehen, wo sie gern als dekoratives Element
bei der Darstellung von Herrschern und religiösen
Würdenträgern genutzt wurden. Er interpretierte sie als
Insignien der Macht und integrierte sie in die Architektur, um
seinen uneingeschränkten Führungsanspruch zu dokumentieren.
Durch silberne Geländer getrennt, versammelten sich in der
Halle die Würdenträger, streng nach Rang geordnet. Die
niedrigeren Chargen mußten mit den Botengängen in der rings um
den Platz verlaufenden Galerie vorliebnehmen, wobei jeder
Edelmann den ihm zugewiesenen abschnitt auf eigene Kosten zu
gestalten hatte. Die Folge war eine lebhafte Konkurrenz unter
den Gefolgsleuten, den eigenen Standplatz möglichst luxuriös
mit Brokaten und Teppichen auszustatten. Den farbenprächtigen
Anblick einer derartigen Hofversammlung hat uns der
französische Arzt Francois Bernier beschrieben, der in der
zweiten Hälfte des 17. Jh. in Delhi im Dienst des
Mogulherrschers stand. Sogar die Frauen des Harems beteiligten
sich, unsichtbar hinter Gittern verborgen, an den Debatten.
Vor dem Diwan-i-Am liegt auf der Rasenfläche nahe der
Südostecke das Grab des britischen Befehlshabers Colvin, der
hier während des Aufstands von 1857 fiel. |
|
|
|
Östlich des Diwan-i-Am schließt sich der
Machi Bhavan an, ein an drei Seiten von doppelstöckigen
Bogengalerien umschlossener Hof. Das Zentrum der südlichen
Front ist im oberen Stock als eine Art Pavillon gestaltet, in
dem der goldene Thron des Herrschers seinen Platz gehabt haben
soll. Auffallend auch hier die vier baluster-förmigen Säulen
als Symbole unumschränkter Macht. Vom Machi Bhavan hat man
Zugang zur kleinen, nur zwei Schiffe und drei Joche
aufweisenden Naginamoschee, die dem Herrscher als
Privatmoschee diente, vielleicht aber auch von seinen Frauen
genutzt wurde. Einmal mehr unterstreichen Balustersäulen das
königliche Privileg. Dies wird auch an dem gekrümmten Dach
über dem Zentralbogen deutlich, das sonst nur noch in den
Privatgemächern anzutreffen ist. Unterhalb der Moschee lag in
einem kleinen abgeschlossenen Hof der Meena - Basar. Einmal im
Jahr durften hier die sonst im Harem verborgen lebenden
Hofdamen kleine Stände aufbauen und Markt spielen, wobei die
Möglichkeit zu vorsichtigen Kontakten mit den männlichen
Palastbewohnern den eigentlichen Reiz dieses karnevalartigen
Vergnügens ausmachte. Bei einem derartigen Markt soll Jahangir
die wunderschöne Mehrunissa kennengelernt haben, die später
als Nur Jahan (Licht der Welt) großen Einfluß am Hof ausübte.
An der Ostseite des Gevierts weitet sich das erste Stockwerk
zu einer Plattform mit Blick auf den Fluß. Ein schwarzer
Marmorblock markiert den Thron Jahangirs, versehen mit einer
umlaufenden Inschrift aus dem Jahre 1603, die seine
Thronbesteigung preist. Der Herrscher hat das Prunkstück aus
Allahabad hierher bringen lassen, wo er sich in Opposition zu
seinem Vater Akbar schon zwei Jahre vor dem Beginn seiner
legitimen Regentschaft als Kaiser hatte ausrufen lassen.
Im Norden wird die Plattform von den
königlichen Bädern begrenzt, im Süden von der privaten
Audienzhalle (Diwan-i-Khas). An den Ecken wird der 22 m lange
und 11 m breite dreischiffige Hallenbau durch Doppelsäulen
getragen. Die pietra dura-Arbeiten an den Säulenbasen sind von
außergewöhnlicher Schönheit. Im Innern vergleicht eine
persische Inschrift (1636) in schwarzem Stein den Raum mit den
höchsten Himmeln und den Herrscher mit der Sonne am Firmament.
Die Lobpreisung wurde früher noch mit einer in Silber und Gold
verkleideten Decke unterstrichen, die das Licht in
Strahlenbündeln reflektierte.
Vom Diwan-i-Khas gelangt man in die Privatgemaecher des
Mogulherrschers. Im Osten ragt der achteckige Turn Musamman
Burj einer Bastion gleich aus der Festungsmauer hervor. Hier
lagen die Privatgemaecher von Mumtaz Mahal. Ein Teil des
davorliegenden Bodens wurde als Brett fuer das Pachisi-Spiel
konzipiert, das faelschlicherweise of mit dem Schach in
Verbindung gebracht wird, aber eher dem Backgammon aehnelt.
Beachtenswert sind die sehr schoenen Einlegearbeiten, der
exquisite Brunnen und die Marmorgitter. Von der umlaufenden
Galerie hat man einen bezaubernden Blick ueber die Yamuna
hindueber zum Taj Mahal. Hier laesst sich vielleicht
nachempfinden, welche Gefuehle Shah Jahan bewegten, der hier
von seinem Sohn Aurangzeb die letzten acht Jahre seines Lebens
gefangengehalten wurde.
Im Süden schließt sich ein
weiterer Hof an, der Traubengarten (Anguri Bagh), zum Fluss
hin von einer Plattform begrenzt, auf der im Zentrum das
Privatgemach (Khas Mahal) des Herrschers lag. Der exquisit
ausgeführte Marmorbau (23 m x 12 m), der sich zum Hof hin als
offene auf Pfeilern ruhende Halle präsentiert, war Vorbild für
den gleichnamigen Bau im Fort von Delhi. Die Wand zur Yamuna
hin ist als durchbrochenes Gitter ausgeführt – Kühlung und
Aussicht gleichermaßen. Der früher verwahrloste Garten wurde
mittlerweile wieder hergerichtet und bildet mit seinen
Blumenbeeten, den hochgelegen Marmorpassagen und dem zentralen
Wasserbecken ein gelungenes Ensemble. Links und rechts wird
der Khas Mahal von Gebäuden mit geschwungenen bengalischen
Dächern flankiert, die mit vergoldeten Kupferplatten belegt
sind. Von der Burestung des nördlichen Pavillons pflegte sich
Shah Jahan jeden Morgen dem unterhalb der Mauern versammelten
Volk zu präsentieren, wobei das von den goldenen Dächern
reflektierte Licht ihn wie in einen Heiligenschein eingehüllt
haben soll. Im südlichen Pavillon residierte Shah Jahans
älteste und von ihm am meisten geliebte Tochter Jahan Ara, die
nach dem Tode vom Mumtaz Mahal als Begum Sahib die
Repraesentationspflichten am Hof übernahm.
Südlich des Anguri Bagh schließt sich
ein weiterer Hofkomplex an, der den Namen Jahangirs Palast
(Jahangiri Mahal) trägt und den Besucher mit einem völlig
anderen Architekturstil überrascht. Der aus zwei Höfen (76 m x
72 m) bestehende Mehrstöckige Komplex stammt nicht, wie der
Name suggeriert, aus der Zeit Jahangirs, sondern wurde bereits
von Akbar errichtet. Merkmale sind mit weissem Marmor
aufgelockerte Sandsteinfassaden mit ausgeprägten Basreliefs.
Durch den im Osten liegenden Haupteingang betritt man einen
allseits geschlossenen Innenhof, der an der Süd – und
Nordseite von Pfeilergestützten Hallen flankiert wird.
Auffallend Sind die vielen reich verzierten Sandsteinkonsolen,
die die vorspringenden Dächer tragen und die unechten Bögen in
Hindutradition.
Man sollte nicht versäumen, einen
Blick in die nördliche Halle zu werfen, wo Schräg geführte
schlangenförmige Träger das breite Flachdach Stützen. Sie
haben ihren Ursprung in der Jainarchitektur Gujarats, fanden
später aber auch in Gwalior und sogar Bengalen Verwendung.
Die an den Stutzen aus dem feinen Sandstein
herausgearbeiteten, arabesk verschlungenen Pflanzenmotive sind
hingegen persischen Ursprungs, ebenso die kielbogenförmigen
Portalnischen, die im angrenzenden östlichen Hof den Zugang zu
den Räumen bilden. Vor dem Palast steht ein riesiger
Steinbehälter, den Jahangir zur Aufbewahrung von Reisspenden
anläßlich des Ursfestes 1611 hat anfertigen lassen. Von hier
aus sind es nur wenige Schritte bis zur breiten, zum Ausgang
hinabfuehrenden Rampe. |
|
|
|
|
|
DIE
FESTUNG VON AGRA (Lage , Geschichte & Architektur)
Babur,
der erste der Großmoguln, verließ seine Heimat in Zentralasien, drang nach
Indien vor und eroberte Agra, damals Hauptstadt der Lodi-Sultane. Hier
errichteten Babur und seine vier Nachfolger jene Bauwerke, die Jahr für Jahr
unzählige Schaulustige aus allen Teilen der Erde anziehen – vor allem
natürlich das legendäre Taj Mahal.
Wer die Stilentwicklung chronologisch nachvollziehen
möchte, beginnt am besten mit Akbars Festung sowie mit einem Besuch seiner
zeitweiligen Hauptstadt Fatehpur Sikri. Ihren Höhepunkt erlebte die
indo-persische Architektur mit den herrlichen Marmorpalästen der Festung von
Agra und dem Taj Mahal. Akbars Grab in Sikandara markiert bereits den
Niedergang.
Akbar, der größte der Großmoguln und eine der herausragendsten
Herrscherpersönlichkeiten seiner Zeit, begann 1565 – als er gerade 23 Jahre
alt war – mit dem Bau der majestätischen Festung aus rotem Sandstein. Sein
Großvater Babur war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Grenzen des neuen
Reichs zu verteidigen, und sein Vater Humayun wurde von selbstverschuldeten
Sorgen geplagt: Beide hatten keine Zeit, sich eines so ehrgeizigen Projekts
anzunehmen, zudem existierte bereits die mittelalterliche Rajputen-Festung
Badalgarh. Die alte Burg war 1504 von den Lodi-Sultanen eingenommen worden,
als sie Agra zur neuen Hauptstadt machten.
Nach seiner Eroberung der Stadt (1526) verspürte Babur kein Bedürfnis, das
alte Fort weitläufig auszubauen. Es wurde zum Schauplatz üppiger Hofzeremonien
zentralasiatischen Stils. Die Miniaturen des Babur Name liefern ein
plastisches Bild von Baburs reichverzierten Sonnensegeln und mit dicken
Teppichen belegten Terrassen, obwohl sie erst 50 Jahre später unter Akbar
entstanden. Sowohl Babur als auch seine Tochter Gulbadan Begum hinterließen
mit ihren Memoiren lebendige Schilderungen höfischer Szenen mit Würdenträgern
aus Persien und Zentralasien sowie von den Zerstreuungen der Hofbeamten bei
Musik und Tanz.
Badalgarh erfüllte seinen Zweck als Festung, Herrscherhof und Schatzlager
durchaus, doch Akbar genügte das nicht: Nach seinem Biographen Abu Fasl gab er
1565 Anweisung, ,,in Agra ein Gebäude zu errichten, das durch seine Position
das Zentrum Hindustans bildet, eine große Festung, die diese Position sowie
die Würde des Herrschers widerspiegelt“.
Bereits drei Jahre zuvor hatte der 20 jährige Akbar durch seine kühne
Eroberungspolitik erreicht, daß er zum uneingeschränkten Herrscher über
Nordindien avancierte. Trotz seiner Jugend erkannte er aber auch, daß
militärische Macht allein ihm nicht die Herzen seiner Untertanen zufliegen
ließ. Er stellte sich deshalb der schwierigen Aufgabe, mit den strengen
Traditionen des Islam zu brechen, um eine Atmosphäre der Aussöhung zu
schaffen. Die diskriminierende Besteuerung der Hindus wurde abgeschafft. Akbar
unterzeichnete Eheverträge mit Prinzessinnen der königlichen Rajputen-Familien
und übertrug Militärränge auf besonders fähige Rajputen-Kommandeure. Seine
Politik war nicht ohne Hintergedanken, denn abgesehen von den Mewar erwiesen
sich alle solcherart ans Fürstenhaus gebundenen Rajputen als äußerst loyal.
Agras Festung bildet die erste Manifestation des synkretistischen Geists, der
unter Akbar herrschte. Es begann damit, daß man den Raja des Nachbarstaats
Karaoli (einen Hindu) dazu nötigte, an der Grundsteinlegung teilzunehmen, denn
damals glaubte man die Burg auf diese Weise vor der Zerstörung durch den Fluß
zu bewahren. Tatsächlich drohte 450 Jahre lang keine Gefahr aus dieser Quelle.
Die Festung stellt Akbars erstes großes Architekturvorhaben in Hindustan dar –
kühn wie alle seine Pläne. In nur acht Jahren vollendeten rund 4000 Arbeiter
die massiven Mauern und eindrucksvollen Tore, dazu die meisten Bauten im
Innern (nach Abu Fasl etwa 500), alles aus Sandstein und im ,,erlesenen Stil
Bengalens und Gujarats“. Akbars Gemahlin aus dem Königsgeschlecht von Amber
(Jaipur) konnte ihre Bengali Mahal genannten Gemächer bereits vier Jahre nach
Baubeginn beziehen.
Die Burgmauer blieb bis heute unverändert erhalten, doch das Innere der
Festung erfuhr unter allen Nachfolgern Akbars so starke Umstrukturierung, daß
Mauer und Inneres unabhängig voneinander betrachtet werden sollten.
Eindrucksvoll erhebt sich die Maueranlage vor dem Betrachter. Die roten
Sandstein-blöcke wurden so präzise aufeinandergesetzt, daß ,,nicht einmal eine
Haarspitze dazwischen Platz hätte“, wie Abu Fasl anschaulich berichtete. Auch
Monserrat, ein Jasuitenpriester. der zwei Jahre an Akbars Hof weilte, zeigte
sich beeindruckt: ,,Die Steine dieses Bauwerks wurden so sorgfältig
aufeinandergesetzt, daß man die Fugen kaum sehen kann, obwohl kein Mörtel
verwendet wurde. Auch die rote Farbe des Steins unterstützt
diesen Eindruck solider Geschlossenheit.“ Die Mauern erreichen bis zu 21 Meter
Höhe bei einem Umfang von 2,4 Kilomatern – ihre exakte Dicke ist nicht
ermittelbar, da sie in einem Bett aus Mauerwerk und Füllmasse ruhen.
Den Grundriß der Festung am Südufer des Yamuna hatte der Flußlauf bestimmt,
ihre 823 Meter lange Hauptachse verläuft parallel dazu. William Finch, der
Agra während der Regierung Jahangirs (Akbars Sohn) besuchte, bemerkte zum
Verlauf der Burgmauer, der ganze Komplex ,,liegt in Form eines Halbmonds da,
der sich landeinwärts ausbuchtet“. Vielleicht fragten sich die nüchtern
denkenden Kaufleute in London angesichts dieser Worte, ob ihr Handelsvertreter
dem Zauber des Orients erlegen sei.
Als Finch sich in Agra aufhielt, hatte der Yamuna noch nichts von seiner
Breite eingebüßt, denn man legte noch keine Kanäle zur Bewässerung der kargen
Ebene im Norden an. Sein Verlauf entlang der Ostseite der Burgmauer bildete
nicht nur einen wichtigen Verteidigungsfaktor, sondern schuf zugleich eine
angemessene Umgebung zur Ergänzung des kaiserlichen Hofes.
Über den Verbleib der alten Rajputen-Festung Badalgarh herrscht keine völlige
Klarheit. Ein massiver Bau, der 400 Jahre lang allen Angriffen durch Armeen
und Wetter standgehalten hat, kann sich nicht in Luft auflösen. Einen
entscheidenden Hinweis erhalten wir von Abu Fasl: ,,Es erging höchster Befehl,
daß das alte Fort durch eine unbezwingbare Festung zu ersetzen sei.“
General Cunningham, der Generaldirektor des Archaeological Survey of India,
äußerte 1871 seine Überzeugung, der Grundriß der alten Pathanen Festung habe
sich mit Akbars Nachfolgebau gedeckt, davon abgewichen seien allenfalls ein
paar Tore der Außenbefestigung. Mit ,,Pathanen-Festung“ meinte er natürlich
Badalgarh, das die pathanischen (afghannischen) Lodis erobert hatten.
Abu Fasl, Akbars übereifriger Biograph, schrieb mit dem üblichen Hang zur
Übertreibung, daß die mauern ,,mit vier Eingängen versehen wurden, deren Türen
sich nach allen vier Ecken der Welt öffneten“. Heute stehen nur noch zwei
dieser Tore offen. Der Haupteingang Amar Singh Gate trug ursprünglich den
treffenderen Namen Akbari-Tor. Hathipol, die Elefantenpforte im Nordwesten,
führt in die Stadt. Hier versammelten sich Akbars Untertanen, um Geschäft
abzuwickeln, denn es war der Sitz von Qazi (Richter der traditionellen
Rechtsordnung) und Wesir (Steuereintreiber). Nach Finch saßen sie jeden Morgen
drei Stunden lang dort und behandelten ,,alle Pacht- und Grund- und
Schuldbelange sowie Gesuche, Fermane etc.“.
Das Nordtor führte zu einer Art Verfügungsdepot, und vom
Westtor überblickte man den Fluß. Darshani Gate (das Westtor) war Schauplatz
der öffentlichen Audienzen des Herrschers, da das Volk die Festung nicht
betreten durfte. Finch schreibt zu dieser Pforte, sie führte ,,in einen hellen
Hof der sich entlang des Ufers erstreckte. Hier begrüßt der König
allmorgendlich den Sonnenaufgang, ehe sich seine Edelleute zum tessilam (tiefe
Verbeugung) versammeln.“ Das tessilam entwickelte sich zu einer so
festgefügten Einrichtung, daß manch einer nicht einmal frühstückte oder sich
wusch, bevor er den Herrscher begrüßte.
Auch Darshani Gate hatte noch einen anderen Zweck. Akbar, der als junger Mann
nicht davor zurückschreckte, sich auf den wildesten Elefanten zu schwingen,
beobachtete von hier aus Elefantenkämpfe. Sein Sohn Jahangir ergab sich später
dem zweifelhaften Vergnügen, Tierkämpfen aller Art beizuwohnen. Finch
berichtet weiter, daß einmal wöchentlich ,,ein Tag des Blutvergießens
stattfindet, wenn der König zu Gericht sitzt und neben den Tierkämpfen auch
den Exekutionen zusieht.“
Nur weniges blieb vom Architektur -und Dekorationsstil jener überaus Form
prägenden und übersprudelnd kreativen Zeit erhalten. Unter den beiden
nachfolgenden Großmoguln erfuhren die Palastbauten so umfangreiche
Veränderungen, daß sie sich zu einem wahren Schaufenster künstlerischer
Formfindung entwickelten. Den Anfang machte Akbars Verbindung hinduistischer
und moslemischer Traditionen, dann kam Jahangirs poetisches Zwischenspiel, und
schließlich erblühte das indo-persische Formen-vokabular unter Shahjahan.
Abgesehen vom Jahangiri Mahal, das dem Hauptportal zugewandt ist, blieb von
den 500 unter Akbar entstandenen Bauten nichts erhalten. Nur wenige Ruinen
erinnern noch an seinen eigenen Palast, der den Fiuß überblickte. Im Bengali
Mahal bilden Elemente aus der Zeit Akbars eine harmonische Einheit mit den
unter Jahangir sparsam zugesetzten Marmorverzierungen. Die Innenräume sollen
nach dem Vorbild des Man Mandir-Palastes in Gwalior entstanden sein und wurden
möglicherweise auch von denselben Handwerkern ausgeführt. Deren meisterliche
Steinmetzkunst wurde nur noch an dem Anup Talao zugewandten Pavillon in
Fatehpur Sikri übertroffen. Blumenmuster und Arabesken entstanden in einer
Feinheit, wie sie sonst nur anausgesuchten Holzschnitzereien zu beobachten
ist.
Vor der Amar Singh Gate führt eine Rampe zum
Chihl Satun, einem Pavillon mit 40 erlesen geformten Säulen, deren Oberfläche
mit einer Mischung aus Kalk, Eierschalen und Harz geglättet wurde. Es war der
Diwan-i-Am oder die Halle der öffentlichen Audienz mit dem jarokha
(Fensterthron), von dem aus der Kaiser Hof hielt. Hier kann man die
Einlegearbeiten aus Marmor und Halbedelsteinen bewundern, die Shahjahan so
verschwenderisch im Raum zwischen jarokha und den Burgzinnen oberhalb des
Flusses andringen ließ.
Mullah Abdul Hamid Lahori, Autor der Badshah Nama, fand eine Erklärung für
Shahjahans Ehrgeiz, seine Vorfahren zu übertreffen: ,,Während dieser nie
endenden Herrschaft sind die Forderungen an die Künste anderer Art, und die
göttliche Fürsorge nahm eine neue Form zur Verzierung der Welt an; das Alte
wurde durch den Bau bis in den Himmel reichender Marmorpaläste ersetzt.“ In
der Tat unterschied sich der neue Stil von Akbars Eklektizismus, der sich aus
dem indischen Formenkanon gebildet hatte, und der von regionalen
Kunsthandwerkern perfektioniert wurde.
Hinter dem jarokha führt eine schmale Treppe zum Hof des Macchi Bhawan. Geht
man weiter Richtung Süden, findet man den Diwan-i-Khas (wo Privataudienzen
abgehalten wurden) mit seinen wunderschönen Doppelsäulen. An der Südwand
beginnt eine Inschrift mit folgenden Worten.
Der Bau dieses herrlich erhabenen Palastes hat Akbarabad in den Arsh (neunten
Himmel) erhoben. Es fällt nicht schwer, diesen Anspruch nachzuvollziehen.
Diese Worten machen aber auch schon deutlich, daß man Agra nach seinem Tod als
die Stadt Akbars betrachtete.
Hinter dem Diwan-i-Khas ließ Shahjahan eine Reihe von Marmorpalästen und
Pavillons errichten – einer schöner als der andere. Den Höhepunkt bildet
jedoch die königliche Wohnung Daulatkhana-i-Khas mit dem Tambi Khana genannten
Salon. Dahinter erhebt sich der Jasminturm, von wo aus Shahjahan zu seiner
großartigsten Schöpfung, dem Taj Mahal, hinüberblicken konnte. Etwas weiter
entfernt residiert Jahanara, die Tochter des Herrschers, im Khas Mahal mit den
daran angeschlossenen Angoori Bagh oder Traubengärten, die eine farbenfrohe
Abweschslung zum allgegenwärtigen Marmor boten.
Die königlichen Bäder, Hammam genannt, schilderte der Historiker Mullah Abdul
Hamid Lahori als einen oberhalb des Flusses gelegenen Gebäudekomplex. Die
Bäder fielen britischen Plünderern zum Opfer, die wertvollsten
Marmorschöpfungen erhielt ihr Prinzregent. Zum Hammam hat man heute leider
keinen Zutritt mehr, dafür bezaubert der Shish Mahal oder Palast der Spiegel
um so mehr die Besucher.
Zum Besichtigungsprogramm gehören auch zwei Moscheen. Aurangzeb ließ für die
Damen seines Palasts die Nagina Masjid an den Macchi Bhawan anbauen. Shahjahan
betete in seiner versteckt liegenden Perlmoschee oder Moti Masjid. Perlmoschee
nannte man traditionell den aus weißem Marmor errichteten Gebetsraum des
Herrschers und seiner Familie. Auch in Delhi und Lahore gibt es Perlmoscheen,
doch die Moti Masjid von Agra sticht sie an Ausgewogenheit und Klarheit der
Linienführung aus. Die Haremsdamen beteten in Seitenräumen, die hinter
Marmorgittern versteckt lagen. Als die Moschee im Jahr 1653 nach
siebenjähriger Bauzeit vollendet wurde, reiste Shahjahan eigens mit einem
Schiff aus Delhi an, um hier zu beten. Es sollte das letzte Bauwerk sein, das
er in Agra errichten ließ.
Trotz aller Eleganz und Schönheit der vielen Ergänzungsbauten Shahjahans
beherrscht nach wie von Akbars Geist die Festung von Agra: sein Gespür für
Macht und seine angestrebte Verbindung zweier Kulturformen. Was diesen Geist
betrifft, bleibt das Rote Fort von Akbarabad in Indien konkurrenzlos.
Zurück
!
www.indien-reise.com
© Indo Vacations, Alle Rechte vorbehalten.