Die Parsen sind Anhänger der Zoroaster-Lehre, einer monotheistischen
Religion, die von Zoroaster (oder Zarathustra) im 6. Jahrhundert v.
Chr in Persien ins Leben gerufen wurde. Der zoroastrischen
Mythologie zufolge schuf der Gott Ahura Mazda Zwillingsgeister, von
denen der eine, Ormazd, Wahrheit und Licht wählte, und der andere,
Ahriman, Unwahrheit und Dunkelheit. Einige Interpretationen legen
dar, daß Ahura Mazda selbst der Geist des Guten war und mit seinem
bösen Zwilling rang, um der Welt Licht bringen zu können. Die Parsen
werden oft Feueranbeter” genannt wegen des heiligen Feuers, nach
Sandelholz und Weihrauch duftend, das ständig in ihren Heimen und
Tempeln als Verkörperung einer Gottheit brennt, die kein Sterblicher
darstellen oder visualisieren kann. Feuer, dessen Quelle das
ursprüngliche Licht ist, repräsentiert auch den göttlichen Funken in
jedem Menschen und ist Symbol Gottes kosmischer Kreation.
Der freie Wille ist eine Kardinaldoktrin der Zend Avesta, der
heiligen Schrift. Höre auf die großen Wahrheiten”, sagt Zoroaster,
schau nach innen, mit erleuchtetem Geiste, auf den Glauben deiner
eigenen Wahl, ein jeder für sich selbst. Dieser Vers ist für die
Navjote-Zeremonie wichtig, bei der Parsenkinder – Mädchen, bevor sie
die Pubertät erreichen, und Jungen im Alter von etwa 14 jahren –
sich formal für den Glauben und den Pfad des Asha (der ewigen
Wahrheit) entscheiden. Anläßlich dieser Zeremonie bekommen die
Teilnehmer zum ersten Mal das Sudreh (Unterhemd), das mit dem Kusti
festgebunden wird (ein dünnes, langes hohles Band aus 72 Fäden der
feinsten Lammwolle). Diese äußeren Symbole haben ein wichtige
Funktion und werden täglich angelegt.
Das Rätselhafte, Neugier und eine bestimmte Abscheu umgeben den
Parsen-brauch, die Toten nicht zu begraben oder zu verbrennen; sie
werden statt dessen in hohen, dachlosen Türmen aufgebahrt wo sie von
den Geiern verschlungen werden. Die Briten haben diesen bizarren
Totenturm als “Turm der Stille” bezeichnet. Das Betreten der Türme
ist nur offiziellen Sargträgern und Priestern gestattet, doch die
ziemlich grausigen Untertöne dieses Brauches werden durch eine
Beschreibung des Inneren noch verstärkt: Marmor-oder Steinböden
neigen sich einem tiefen Loch zu, in dem sich Blut und die Knochen
sammeln sollen. Einen ausgezeichneten Filter stellen die tiefen
Brunnen voller Limonen, Kohle und Sulfur dar, die vor dem Turm
angebracht sind, doch mit dem Loch im Inneren durch unterirdische
Röhren verbunden sind. Marmorplatten nehmen die Leichen auf. Die
Mauern des Turmes haben eine genau berechnete Höhe und sind so
konstruiert, daß die Vögel nicht mit irgend etwas in ihren Klauen
entweichen können.
Es scheint keinen bestimmten religiösen Grund für diesen Brauch zu
geben; vielleicht möchten die Parsen als Feueranbeter nicht Elemente
wie Feuer, Erde und Wasser verschmutzen. Es hat jedoch den Anschein,
daß der Brauch im alten Persien aus praktischen und hygienischen
Gründen eingeführt wurde, da bebaubarer Boden selten war und man ihn
nicht als Grab mißbrauchen wollte. Und als sie nach Indien kamen,
ließen sie sich in den größeren Städten nieder, wo Raum wiederum
Mangelware ist. Bombay hat vier “Türme der Stille”; einer davon ist
hinter Bäumen in der Nähe der berühmten Hanging Gardens auf dem
Malabar Hill Versteckt.
Heute sind die Parsen eine in Indien schwindende Gemeinschft, die
aufgrund des Tabus der Konvertierung und der gemischten Heiraten von
einem Wachstum ausgeschlossen ist. Die Parsen heiraten zwar Partner
außerhalb ihres Glaubens, doch werden die Gatten sowie die Kinder
nicht von der Religion aufgenommen. Aber die Mischung von Milch und
Wasser ist vollständig, und diese kleinste von Indiens Minoritäten
hat vielleicht den größten Beitrag zur Wirtschaft geleistet.
Verschiedene Parsenfamilien, darunter die Wadies, Godrejs, Padamjees
und besonders die Tatas sind international renommierte Industrielle
geworden. Die Tata-Familie wurde von Jamshedji Tata um die
Jahrhundertwende gegründet. Sie war die treibende Kraft hinter
Indiens Papier-Taxtil-und Stahlindustrie, hinter der Produktion von
Strom, Düngemitteln, Rohmaterialien, zahlerichen Konsumgütern und
sogar der Nuklearenergie. Ein weiterer bedeutender Parse, Dr. Homi
Bhahbha, wird oft als der Vater der indischen Nuklearforschung
bezeichnet. Die bekanntesten Wahrzeichen des Tata-Imperiums sind das
Taj Mahal Hotel in Bombay, das erste Haus einer indischen
Hotelkette, Mercedes-Banz-Lastwagen, die nun im Lande hergestellt
werden, und Air India, Indiens offizielle Fluggesellschft, die von
J.R.D. Tata dem gegenwärtigen Familienoberhaupt, gegründet wurde.
Die eher geschäftsorientierten Parsen können sich auch einiger
berühmter Namen in den Bereichen Jura, Medizin, Ausbildung, Politik,
Wissenschaft, Regierung, Streitkräfte und bildende Künste rühmen.
Wichtiger vielleicht als die Rolle, die sie beim Aufbau der Nation
gespielt haben, sind ihre Bemühungen um humanitäre Angelegenheiten.
Die Großzügigkeit und das Wohlwollen der Parsen haben zahllose
Krankenhäuser, medizinische Forschungszentren, Schulen, Stätten
höherer Bildung und wohltätige Einrichtungen für die Armen
gefördert.
Piloo Modi, der für seinen Scharfsinn bekannt ist, hat einst
gegenüber Mitgliedern des Lok Sabha (des Unterhauses) geäußert, daß
wenn man ihm die Führung des Landes überließe, er es für eine
zehnprozentige Provision erfolgreich machen würde. Geht man von den
Leistungen der Parsen aus, mag dies durchaus der Fall sein.
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