Die
Geschichte des Christentums in Indien
Die
ganze Geschichte des Christentums. von seinen frühesten
Anfängen bis zum heutigen Tag, kann man in Kerala an Indiens
Westküste nachvollziehen.
Einer alten Überlieferung zufolge wurden die ersten Inder in
Jahr 52 vom Apostel. Thomas höchstpersönlich bekehrt. Es
heißt, daß der Indische König Gondophernes einen Gesandten
nach Syrien schickte, um einen versierten Architekten für den
Bau seiner neuen Hauptstadt zu finden. Der Gesandte kehrte mit
Thomas zurück, der dem Hof von der himmlischen Stadt Gottes
erzählte (von den Händen Sterblicher unberührt), viele Wunder
bewirkte und schließlich den König bekehrte (einen
Nambudri-Brahmanen höchsten Ranges) sowie dessen Familie und
viele Mitglieder des Hofes. Nachfahren dieser frühen Christen
nennen sich “Sankt-Thomas-Brahmanen-Christen”.
Thomas predigte in vielen Teilen Indiens und soll in Madras
zum Märtyrer und angeblich in der katholischen Kathedrale von
Myllapur begraben worden sein. Die historische Authentizität
dieser späteren Ereignisse muß noch nachgewiesen werden, doch
die Tatsache, daß der Apostel von Madras nach Osten ging, ist
bekannt, und eine Gebenktafel anläßlich seines Todes und
Begräbnisses in der Thomas Kirche von Malakka (Malaysia) ist
ein Beweis seiner Reisen. Ein weiteres Indiz des Christentums
in Indien lieferte Cosmas Indicopleustes, ein syrischer Mönch,
der im 6. Jahrhundert nach Indien reiste. In seiner
Christlichen Geographie erwähnt er die nestorischen Kirchen in
Malabar, die von persischen Priestern geleitet wurden und die
ein persischer Patriarch mit Sitz in Cochin überwachte.
Heute
sind nur wenige Nestorianer übriggeblieben, da das Christentum
im Iran fast ganz verschwunden ist und bereits im 7.
Jahrhundert vom Islam abgelöst wurde. Der syrisch-orthodoxe
Glaube floriert weiterhin in Kerala, hat seinen eigenen
Patriarchen in Kottayam und eine Litanei auf Malayalam, der
Sprache seiner Anhänger. Die syrisch-christliche Kirche ist
ein wundervolle Mischung indischer Tradition und Christlicher
Orthodoxie: Die Gläubigen ziehen ihre Schuhe am Eingang aus;
die Heiratszeremonie ist nur vollständig, wenn der Bräutigam
den Kopf seiner Braut mit einem roten Schleier bedeckt und um
ihren Hals den Tali hängt (einen Goldanhänger mit besonderen
Symbolen, der bei jeder Kerala-Hochzeit eine Wichtige Rolle
spielt). In der Nähe des Altars steht in allen bedeutenderen
Kirchen eine zeremonielle Messinglampe, die normalerweise mit
Hindutempeln in Verbindung gebracht wird. Es heißt, daß die
erste dieser Lampen vom König Cochins der Kirche geschenkt
wurde, ein sichtbares Zeichen dafür, daß die neue Religion vor
Unheil geschützt war und frei ausgeübt werden konnte. Die
Konvertiten nahmen auch das Kastensystem als Mittel der
gesellschaftlichen Organisation innerhalb der Kirche an, und
viele Kirchen in und um Kottayam arrangieren die Sitzordnung
nach der sozialen Hierarchie: Die niedrigeren Ränge (die neu
Konvertierten) sitzen auf der überdachten Veranda außerhalb
des Gotteshauses.
Katholiken und Protestanten
Die römisch-katholische Kirche kam mit den Portugiesen im 15.
Jahrhundert nach Indien. Der heilige Franz Xavier lebte und
predigte von 1542 bis 1547 in Goa. In einem Glassarg liegt
sein mumifizierter Leichnam in der Kirche Bom Jesus in Velha,
Goa. Am dritten Dezember Jeden Jahres kommen Millionen von
Pilgern, um den Heiligen zu sehen, an dem die Zeit dank eines
göttlichen Wunders oder chinesischer Einbalsamierungskünste
spurlos vorübergegangen zu sein scheint.
Bis zum 18. Jahrhundert hatte sich der römisch-katholische
Glaube im ganzen Land verbreitet. Von Kirchen und Kathedralen
abgesehen haben die Katholiken mit ihren Krankenhäusern,
Heimen für Aussätzige, Arme und Alte und von Jesuiten
geleiteten Bildungsinstitutionen eine besondere Rolle
gespielt.
Im frühen 17. Jahrhundert trafen die Holländer ein und lehrten
Reformation sowie religiöse Toleranz. Etwas später sah Indien
die Ankunft weiterer protestantischer Glaubensrichtungen: der
Kirche von England, der Presbyterianer, Baptisten,
Methodisten, Adventisten des Siebten Tages, der Zeugen
Jehovahs… Im Lauf der Jahrhunderte sind viele Inder von den
diversen Formen der christlichen Kirche angezogen worden. Die
Katholiken und Protestanten konnten mit ihrer Betonung der
Gleichheit aller Menschen vor den Augen Gottes zahlreiche
Anhänger aus den niedrigeren Rängen der indischen Gesellschaft
gewinnen.
Das Judentum
Die Juden existieren in Indien seit mehr als einem
Jahrtausend. Der Überlieferung zufolge kamen sie zunächst mit
phönizischen Seefahrern und Händlern zur Zeit von König
Salomon an. Weitere Theorien besagen, daß die ersten Juden
Indien nach dem Fall Babylons im 6. Jahrhundertv. Chr.
erreichten, oder daß die Todas, ein kleines Volk in den
Nilgiri-Bergen Tamil Nadus, einer der verlorenen Stämme
Israels sei. Die Juden von Kerala haben stets geglaubt, daß
ihre Vorfahren im Jahr 72 nach Indien kamen, ein paar Jahre
nach dem Apostel Thomas. Die älteste nachweisliche jüdische
Siedlung ist jene von Cranganore oder Kodungallur, dem alten
Hafen Muziris. In den Chroniken von Pliny und Ptolemäus wird
erwähnt, daß im jahr 388 der Herrscher Raja Bhaskara Ravi
Varma das Darf Anjuvannam an Josehp Rabban und seine Familie
übergab. Des Königs Charta, auf Kupferplatten festgehalten,
ist in der Paradesi-Synagoge in Cochin zu besichtigen. Die
Juden lebten bis zur Ankunft der portugiesischen
Konquistadores friedlich und ungestört in Anjuvannam.
Die Verfolgung durch die Portugiesen und der aufkommende
Antisemitismus brachte die Gemeinschaft dazu, sich unter den
Schutz des Herrschers von Cochin zu begeben. Die kleine
Gemeinschaft der sogenannten “weißen” Juden lebt weiterhin im
jüdischen Viertel von Cochin. Doch die meisten von ihnen sind
nach Israel zurückgekehrt, und es ist mitunter schwierig, das
nötige Quorum für die Paradesi-Synagoge zu finden.
Es gab auch eine Gemeinschaft von schwarzen Juden
(wahrscheinlich indische Konvertiten) in Cochin. Doch die
letzten sind vor einigen jahren nach Israel ausgewandert, und
ihre Synagoge schloß 1972 die Pforten.
Die Beni Israel, eine weitere jüdische
Gemeinschaft, lebt in Kalkutta und Delhi. Doch der Ruf Israels
hat nur wenige ausharren lassen. |