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Information zu Gujarat (Architektur, Geschichte,
Kultur, Leben in den Dörfern, Essen, Kultur & Traditionen)
Gujarat an
der Westküste Indiens ist eine Halbinsel, die ins Arabische Meer
hineinragt und an die im Norden die Thar-Wüste grenzt, während sie im
Süden von der Küste Maharashtras durch die Bucht von Cambay getrennt
wird. Dort münden die Flüsse Narbada und Tapti ins Meer. Der Bundesstaat
besteht aus dem alten Kanthadesh, der Region, die an Rajasthan grenzt,
und dem Wüstenland Rann of Kutch, das in der Regensaison teilweise in
einen Sumpf verwandelt wird. Die Kathiawar-Halbinsel (Saurashtra) wird
auch als ,,Balkon des Arabischen Meers” bezeichnet, da sich das zentrale
Plateau mit seiner durchschnittlichen Höhe von etwa 200 Metern in dem
Mount Girnar auf etwas über 1100 Meter erhebt. Das Plateau ist umgeben
vom Flachgebiet der Küstenebene. Durch das grüne Land fließen
verschiedene Flüsse: Banas, Damaganga, Sabarmati, Bhadur, Setrunji und
Bhogavo. Gujarat produziert Reis, Baumwolle, Tabak, eßbare Ölsamen und
Weizen. Die Industal-Zivilisation, die mit Harappa und Mohenjo-daro
synonym ist, breitete sich vom 2. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. auch
südwärts nach Razdi in Saurashtra und Lothal an der Bucht von Cambay
aus.
Lothal, einst ein größerer Hafen, war ein bedeutendes Handelszentrum,
das Kaufleute aus Arabien, Rom, Griechenland und dem alten Persien
anzog. Das am Fluß Sabarmati erbaute Lothal ist heute ein Dorf, doch
Spuren seiner Vergangenheit haben Ausgrabungen zutage gefördert: etwa
Münzen und Siegel, die jenen von Mohenjodaro, Mesopotamien und den
Ländern des Persischen Golfes gleichen. Der Glof von Cambay und die
Küste Gujarats waren früher offensichtlich bekannt, denn Ptolemäus
erwähnte Barazyga, also die einst florierende Stadt Broach. Die
Zoroaster Parsen, durch die moslemischen Eroberungen des 7. Jahrhunderts
aus Persien vertrieben, suchten im Reich Bhavnagar, das auch an der
Bucht lag, Zuflucht. Und un den frühen Jahren des 17. Jahrhunderts war
Surat der von europäischen Händlern sehr begehrte Hafen. Der Name des
Gebietes stammt von den Gurjaras, einem Wandervolk, das hier im 5.
Jahrhundert siedelte. Verschiedene Gurjara-Stämme ließen sich im Punjab
nieder, doch die meisten begaben sich weiter nach Süden, um Gurjara
Rashtra, das Land der Gurjaras, zu bevölkern – daher also Gujarat. Die
Binnenreiche Delhis begehrten Gujarat und seinen Zugang zum Meer. Und
obwohl die Rajputen mächtige Festungen zum Schutz der Handelsrouten
errichteten, die durch Rajasthan und zur Küste Saurashtras führten,
schafften die moslemischen Herrscher schließlich den Durchbruch und
dominierten die Region vom 11. bis zum 17. Jahrhundert.
Der sagenhafte Tempel von Somnath, ein wichtiges Pilgerziel, wurde von
Mohammed von Ghazni im Jahre 1024 geplündert. Der friedfertigere Ahmed
Shah I. ließ seine Hauptstadt Ahmedabad 1411 errichten. Im 16.
Jahrhundert fielen die Stadt und die Region an das Mogul-Reich, und die
Briten dominierten Gujarat und ganz Indien vom Jahre 1800 bis 1947. 1956
entstand der zweisprachige Bundesstaat Bombay, der Maharashtra und
Gujarat vereinte; doch 1960, als beschlossen wurde, das Land auf der
Basis der Sprache zu trennen, wurde Gujarati ein separater Bundesstaat
mit Gujarati als offizieller Sprache und einer neuen Hauptstadt:
Gandhinagar bei Ahmedabad. Trotz des lang währenden moslemischen
Einflusses sind neun Zehntel von Gujarats Bevölkerung hinduistisch.
Ahmedabad und die Küste um Verawal weisen die höchste Konzentration an
Moslems und Jainsten auf. Die vielen äußeren Einflüsse und der
unternehmerische Geist der Gujaratis machen Gujarat zum progressivsten
Bundesstaat Indiens. Durch die Nähe zum Meer sind die Gujaratis stets
reisefreudig gewesen und haben sich überall auf der Welt niedergelassen,
besonders in Afrika. Mahatma Gandhi, der in Porbandar auf der
Kathiawar-Halbinsel geboren wurde und aufwuchs, verbrachte einige Jahre
in Südafrika. Unter den alten und berühmten Häfen an der Bucht von
Cambay ist Lothal immer noch von historischem und geologischem
Interesse, und Cambay, am anderen Ende der Bucht, ist eine geschäftige,
boomende Stadt. Der in alten Zeiten florierende Hafen wurde von den
einfallenden Moslems 1304 zerstört und im 17. Jahrhundert wiederbelebt
und war dann für die Europäer eine kurze Zeitlang ein bedeutender
Handelsposten. Der verschlammende Hafen wurde dann aufgegeben, bis man
durch Zufall große Vorkommen von Öl und Naturgas im Golf entdeckte.
Cambay ist nun in industriellen Kreisen auf der ganzen Welt bekannt.
Surat verlor seine Bedeutung, als die Briten ihr Interesse Bombay
zuwandten. In dieser einst berühmten Stadt gibt es wenig zu sehen:
Mohammde bin Tughlaq’s Fort, 1546 erbaut, um die Stadt vor den häufigen
Attacken der Portugiesen zu schützen, umgibt immer noch die Stadt, und
die Aussicht von der Zitadelle über den Fluß und die Stadt ist schön.
Die Überbleibsel der alten britischen und holländischen Warenhäuser und
Fabriken sind interessant, und vier Moscheen, von denen eine vom
Mogul-Kaiser Akbar erbaut worden sein soll, rufen die Gläubigen zum
Gebet. Surat ist das größte Diamantenschleifzentrum der Welt, und seine
Weber fertigen kleine Wunder aus Seide, Baumwolle, Gold -und
Silberbrokat und sind Spezialisten der Zari (Goldfadenweberei). Am
hochgeschätzten Paithan-Sari mit seiner Goldbordüre und grünen und roten
Mustern wird fast drei Monate gewebt.
Suvali, der alte Hafen von Surat, liegt 20 Kilometer westlich, und in
etwa 60 Kilometer Entfernung kann Broach am Narbada-Fluß noch einige
Überbleibsel seiner Vergangenheit aufweisen: ein paar Gebäude im
europäischen Stil sowie ein altes Fort und einen Friedhof. Bhavnagar ist
eine industriell wichtige Stadt mit einem geschäftigen Hafen für den
Baumwollexport. Sie verdankt ihre Bedeutung dem Central Salt Research
Centre und dem 1895 gegründeten Barton Museum, das eine wertvolle
Sammlung alter Waffen, Rüstungen, Münzen und eine seltene Kollektion von
Büchern beherbergt.
Baroda (nun Vadodra) an der nördlichen Route von Bombay nach Ahmedabad
war bis 1947 der Sitz der Gaekwads, einer der bekanntesten ehemaligen
Herrscherfamilien Indiens. Die Stadt hat viele schöne Paläste, von denen
manche mit einer Erlaubnis besichtigt werden können: Lakshmi Vilas ist
der wegen seiner Architektur bemerkenswerte alte Königspalast. Die
Mosaikmuster an den Wänden und der italienische Mosaikboden der
Audienzkammer sind bezaubernd. Der Makarpura Palace, sechs Kilometer von
der Stadt entfernt, weist Merkmale der italienischen Renaissance auf.
Der Palast ist von schönen Gärten umgeben. Kirti Mandir, das Mausoleum
der Königsfamilie, verfügt über einige herrliche Wandgemälde, und das
1894 gegründete, im Stadtpark stehende Royal Museum beherbergt eine
Sammlung italienischer, flämischer, spanischer und holländischer
Gemälde. Doch der Stolz des Museums sind Miniaturmalereien, Bronze- und
Steinskulpturen und seltene Sanskrit-Manuskripte. Eine Minibahn fährt
durch den Park, der auch einen Zoo vorweisen kann.
Die Universität in der Nähe des Parks ist eine der ältesten des Landes,
und das College of Fine Arts hat einige der bekanntesten Künstler
Indiens hervorgebracht. Zu Vadodras vielen Attraktionen gehört der Kali
geweihte EME Steel Temple. Das Heiligtum paßt trotz seines
ungewöhnlichen Konzepts zum industriellen Vadodra mit seiner
Ölraffinerie, petrochmischen und Dünger Fabriken sowie Stahlwalzwerken.
Der Sur Sagar Lake im
Herzen der Stadt und die Botanical Gardens am Stadtrand sind schön, und
Dobhai, 27 Kilometer von Baroda gelegen, lohnt wegen seiner Ruinen aus
dem 13. Jahrhundert einen Umweg. Die vier in die alte Stadt führenden
Tore sind bemerkenswerte Beispiele der Gujarati-Architektur.
Die ersten Eindrücke von Ahmedabad sind Lärm, Menschenmassen, plärrende
Musik, grille Kinoplakate und ein aggressiver Verkehr. Besucher nutzen
die Stadt, um Züge oder Flugzeuge zu wechseln oder um von hier aus
andere Teile Gujarats zu erreichen. Wenige bleiben, um den zweiten
Eindruck zu bekommen und den künstlerischen Reichtum dieser
aufregendsten der großen Städte Indiens zu entdecken.
Es hieß einst, daß der Wohlstand von Ahmedabad an drei Fäden hängt:
Baumwolle, Seide und Gold. Ein Besuch des Calico Museum in dem Shahibag
genannten Viertel wird dies bestätigen. Das Museum beherbergt eine
riesige Sammlung von Textilien aus ganz Indien und dient als
Forschungszentrum für jene, die an den Mustern, Webereien und
Materialien handgefertigter Stoffe interessiert sind. Die wichtigsten
Stücke der Kollektion sind jedoch die schönen Kimkhab (schwerer Brokat
mit einer Vielfalt von Farben und Mustern) und die mit Zari-Bordüren
versehenen Saris und Schlas. Die ausgestellten Stoffe sind sehr alt,
doch ihre Qualität ist auch heute noch erhältlich.
Angestellte des Museums führen den interessierten Besucher gerne zu den
besten der kleinen Karkhanas (Werkstätten) der Stadt, wo Handwerker die
bereits gefärbten Seiden -und Baumwollfäden zu phantastischen Mustern
verweben (Patola, Ikat, Bandhini, Jamdan) und mit Gold -und Silberfäden
versehen. Die 22-karätigen Gold -und die reinen Silberfäden werden nur
noch in begrenzten Mengen für vorbestellte Saris und Schals
bereitgestellt, da sie zu teuer sind. Die neueren Produkte werden mit
sogenanntem Japanese Gold hergestellt, einem synthetischen Faden. Es ist
faszinierend, durch die schmalen Straßen der alten, von einer Mauer
umgebenen Stadt zu laufen, die 1411 von Sultan Ahmed Shah erbaut wurde.
Blickt man über Rikschas, Motorroller und Reklametafeln hinweg, sieht
man Häuser- und Ladenfassaden mit herrlich herausgearbeiteten Bögen,
Türen und Fenstern sowie phantastischen Balkonen, die durch Konsolen in
Form von hölzernen Pferden und Elefanten, weiblichen Figuren, Bäumen und
Pflanzen gestützt werden. Auf dem Asphalt darunter entdeckt man zwischen
den Menschenmassen mitunter einen Mann oder eine Frau, eine Kavalkade
von Pferden oder Szenen einer Legende auf Stoff malend. Man trete durch
eine der geschnitzten Türen in einen Raum voller Webstühle, in dem nur
das Geräusch der Schiffchen zu vernehmen ist und eine Weberfamilie
geschickt mit Tausenden von Fäden umgeht.
In einer anderen Straße, die vom Doshiwadani-Pol abgeht, einem Platz der
Altstadt, schnitzen Handwerker geometrische und Blumenmuster in
Holzblöcke, mit denen von Hand Saris und Stoffe bedruckt werden. Ganz in
der Nähe des Platzes kann man beobachten, wie die Färber riesige Stäbe
verwenden, um graubraune Kattun in Bottiche mit Farbe zu heben, während
andere das Feuer schüren, um eine bestimmte Temperatur zu halten. Die
gefärbten Stoffe werden dann zum Sabarmati gebracht.
Die Ufer des Flusses sind ein Kaleidoskop von Farben, da die im Wasser
gewaschenen Stoffe zum Trocknen aus, gelegt oder aufgehängt werden.
Schmale Gassen um Manek Chowk, die Hauptstraße der Altstadt, werden von
offenen Kiosken gesäumt, in denen sich nichts zu befinden scheint.
Weißgewandete, betelnußkauende Herre lehnen sich gegen runde
holländische Kissen. Die berühmten Juweliere von Ahmedabad stellen ihre
Waren nicht aus, sondern zeigen sie nur bei Interesse; doch hier kann
man ein einzigartiges Paar Silberohrringe, diamantenbesetzte Goldperlen
und einen rubinenbestückten Anhänger finden sowie eine phantastische
Vielfalt von Silberreifen, Ketten, Ringen, Hemdknöpfen und
Schmuckstücken fürs Haar. Das Shereyas Museum of Folk Art in Ambavadi
und das Tribal Museum an der Ashram Road bieten eine interessante
Einführung in das Volks- und Stammeskunsthandwerk, und herrliche,
bestickte Kleidungsstücke mit Muskovit -und Glaseinlegearbeiten werden
von den Dorffrauen in ganz Gujarat getragen.
Das Vechaar Museum of Utensils beherbergt eine wundervolle Sammlung von
besonderen Haushltsartikeln. Geht man an den verglasten Regalen vorbei,
wird klar, daß die Handwerker in jedem Gegenstand – so funktionell er
auch sein mag – Schönheit sahen. Ahmedabads Handwerker verzierten
Küchenmesser, Wassertöpfe und Milchkannen, formten Nußknacker wie
Schwäne, Pfauen und sogar Liebende und Gemüsezer-kleinerer wie
Schildkröten; sie verschönerten Gewürzschachteln, indem sie Muster mit
Messingdraht einritzten oder mit Perlmutteinlagen, schufen hübsche
Mörser und Stößel sowie Parats (schwere Messingplatten). Utensilien aus
rotem und goldenem Messing, die diesen Dingen gleichen, sind in der
Altstadt erhältlich, wo man den Handwerkern zuschauen kann.
Der traditionelle Zeitpunkt für den Kauf von Küchenutensilien ist
Dhantaras (ein Tag vor Diwali im Oktober/November). Der Überlieferung
zufolge kommt Lakshmi, die Göttin des Reichtums, an diesem Tag auf die
Erde, und ein Gefäß aus Messing oder Kupfer bleibt das ganze Jahr über
gefüllt. Das Museumsgebäude besteht aus gebackenem Lehm, einem
kostengünstigen einheimischen Baumaterial, das bei umweltbewußten
Architekten in Nordindien sehr popular wird.
In Gandhinagar, Gujarats neuer Hauptstadt, 20 Kilometer nordöstlich von
Ahmedabad, findet man einige Häuserkomplexe aus Lehm – in einer
größtenteils aus Beton und Glas bestehenden modernen Stadt ein
Blickfänger. Neben dem Utensil Museum tischt das vegetarische
Gujarati-Restaurant Vishalla Speisen auf Thalis (runden Metallplatten
mit hohem Rand) auf. Kleine Schalen auf der Thali enthalten Linsen,
verschiedene Gemüsegerichte, Dahi (Joghurt) und wenigstens zwei
Nachspeisen – die Gujaratis sind enorme Leckermäuler. Sie bereiten auch
ein Festmahl aus einigen Imbißarten zu (hauptsächlich aus Kichererbsen
und einem schwarzen Mehl), die man hygienisch verpackt an Eßständen
erstehen kann.
Auf der anderen Seite des Sabarmati liegt Hriday Kunj, ein Komplex aus
einfachen, einstöckigen Häusern in einem Mangohain an den Ufern des
Flusses. Dieser Ashram wurde von Mahatma Gandhi 1917 gegründet. Hier
stellte er sein erstes Chakhra (Spinnrad) auf und predigte die
Prinzipien des Swadeshi, jener Bewegung, die Inder dazu ermutigte,
ausländische Güter zugunsten von hiesigen zu meiden – ein Teil seiner
Strategie gegen die Briten während des Unabhängigkeitskampfes. Gandhis
berühmter ,,Salzmarsch” begann auch 1930 in Hriday Kunj.
Dieser Ort beherbergt das Museum Gandhi-ji’s Room – streng und ohne
Dekorationen –, mit einer Bibliothek seiner Bücher und einer bewegenden
Sammlung von Briefen, die er aus aller Welt erhielt. Ein Umschlag ist an
,,Mr. Gandhi, India” adressiert. Das Charisma dieses Mannes ermöglichte
es, daß ihn dieser Brief tatsächlich erreichte. Die schönste Zeit in
Hriday Kunj ist in der Dämmerung, wenn sich die Bewohner des Ashrams auf
einer Plattform über dem Fluß zum Gebet versammeln; es folgen eine Rede
über Gandhis Philosophie der Gewaltlosigkeit, über die Gemeinschaft der
Menschen, Mahatmas stetes Bemühen um die Ausgestoßenen und ein paar
Lieder, die Gandhi sehr schätzte.
Ahmedabad, die Stadt der Künstler und Handwerker, rühmt sich auch einer
Reihe von Sehenswürdigkeiten. Die Ahmed Shah Masjid, 1414 in der Bhadar
(Zitadelle) von Ahmedabad erbaut, ist imposant und ein wenig
verblüffend: Die Vorhalle am Eingang muß einst zu einem Tempel gehört
haben, und im Inneren sind alle Säulen aus skulpturierten Steinen
gefertigt, die aus Tempeln dieser Gegend stammen. Die nahe Sidi Saiyad
Masjid ist wegen der Finesse ihrer skulpturierten Jalis
(Steingitterfenster) berühmt. Nicht zu übersehen ist das Tin Darwaza,
ein dreibogiges Triumphtor inmitten einer geschäftigen Kreuzung in Manek
Chowk. Die Jumma Masjid, die Great Mosque (,,Große Moschee”) lohnt eine
Besichtigung wegen ihres üppig dekorierten Mihrab und den acht, aus
schwarzem Stein gefertigten Kenotaphan Rani Ka Hujra, den Grabsteinen
der Frauen von Ahmed Shah.
Die Mahatma Gandhi Road führt zum Bahnhof und dem Vorort Kalipur, wo die
Moschee von Sidi Bashir eine architektonische Kuriosität darstellt: Zwei
ihrer Minarette vibrieren. Wird Druck auf die Spitze des einen ausgeübt,
fängt das andere zu wackeln an! In Gomtipur, auf der anderen Seite der
Schienen, hat die Rajpur Bibi Masjid eines ihrer wackelnden Minarette
verloren: Es wurde zerstört, um das Geheimnis seiner Konstruktion zu
enthüllen. Die Rani Sipri’s Masjid ist ein Schmuckstück und die
Rani-Rupmati-Moschee, 1430 von Shah Ahmads Hindu-Frau erbaut, ist
vielleicht das eleganteste Beispiel einer Synthese hinduistischer und
moslemischer Elemente.
Der Kankarya Lake mit seinen Lustgärten und Parks auf einer Insel im
Zentrum wurde der Stadt von Kutbud-din-Aibak zum Geschenk gemacht, einem
Sultan von Delhi, der Ahmedabad im 15. Jahrhundert oft besuchte.
Nördlich der Stadt und jenseits der Befestigungen steht der aus Marmor
gehauene Jain-Tempel von Hathi Singh mit seinen 52 Schreinen um den Hof.
Und im Vorort Saraspur stellt der Chintaman Temple eine seltsame
Mischung jainistischer Tempelarchitektur mit Elementen einer
moslemischen Moschee dar. Die Baolis (Stufenbrunnen) von Mata Bhawani
und Dada Hari des Vorortes Asarva und der Adalaj Vava Baoli, etwa zwölf
Kilometer nördlich der Stadt, sind herrliche Beispiele alter
Ingenieurs-kunst und Architektur. Sie wurden zwischen dem 11. und 15.
Jahrhundert erbaut, und die Brunnen waren auch der einzige öffentliche
Ort, an dem sich Frauen treffen konnten. Die Stufen, Galerien und
Vorhallen sind üppig verziert und skulpturiert, und des Dada Hari weist
einige wundervoll kalligraphierte Inschriften auf Sanskrit und Arabisch
auf. Die nahe Dada Hari Masjid samt Grabmal ist sehr schön.
Einige von Ahmedabads modernen Gebäuden stellen eine herrliche Mischung
aus Gujarati-Stilen und europäischer Funktionalität dar. Das Indian
Institute of Management imitiert Gujarats Festungsarchitektur, und das
National Institute of Design, in einem schönen Park gelegen, verfügt
über Elemente des Haveli (palastartigen Hauses). Le Corbusier entwarf
das Sanskar Kendra, innerhalb dessen das City Museum eine herrliche
Sammlung von Miniaturgemälden über das Leben und die Lieben des
Schäfergottes Krischna beherbergt; sie stammen aus den
Rajasthani-Schulen des 15. und 16. Jahrhunderts. Das Ausgehen zum Essen
bereitet in Ahmedabad Spaß, und es gibt zahlreiche Restaurants. Zu den
Unterhaltungen vor dem Essen gehören klassischer Tanz oder
Musikdarbietungen, ein Lederpuppen-Schattentheater mit Geschichten der
Epen und Austellungen. Man kann ein paar Extratage in einem von
Ahmedabads luxuriösen Hotels verbringen und die Umgebung erkunden. Der
bezaubernde Palastkomplex von Sarkhej wurde von Mahmud Bigarha erbaut,
dem Enkel von Sultan Ahmed Shah. Dieser war in ganz Indian
und sogar in Europa berühmt wegen der Länge seines Schnurrbartes, seines
riesigen Appetits, seiner Giftimmunität und seines hervorragenden, wenn
auch opulenten Geschmackes. Der Summer Palace und der Zenana, der Palast
der Damen, spiegeln sich in einem riesigen See wider. Den Komplex rundet
eine herrliche Moschee mit 18 Reihen von Säulen ab, die 10 Kuppeln
stützen und an hinduistische Tempelarchitektur erinnern.
Der an einer Biegung des Pushpoti-Flusses erbaute und dem Sonnengott
geweihte Surya Mandir von Modhera ist so schön wie Khajuraho oder
Konarak in Orissa. Der Tempel, mit üppig skulpturierten Figuren und
einigen wundervollen Statuen Suryas versehen, einen Lotus in jeder Hand
haltend und in einer von sieben Pferden gezogenen Kutsche stehend,
befindet sich auf einer Erhebung über einem Wasserspeicher, umgeben von
Steinstufen. Herrlich gekleidete Männer und Frauen, Gottheiten, Szenen
des Alltagslebens und eine Sozialgeschichte des 11. Jahrhunderts
bedecken die superb skulpturierten Säulen der großen Halle des Tempels.
Die kleinen Schreine um das Becken sind bemerkenswert.
Mit dem Auto gelangt man nach Virangam, einer alten befestigten Stadt,
und über Kharagoda in die Rann of Kutch, ein Stück Wüstenödland, an das
der Golf von Kutch grenzt. Dieses harte, trockene und felsige Terrain
wird von malerischen Kamelkarawanen durchquert. Das Flachland, die
Heimat von Herden wilder Esel und Schwärmen rosa Flamingos, wird während
der Monsunperiode von der Flut des Arabischen Meers überschwemmt und
verwandelt sich in einen Sumpf. Bhuj, in der Rann of Kutch, liegt selten
wenn überhaupt auf Touristenrouten. Ohne Auto ist der Weg dorthin
schwierig, und es stehen nur einfache Unterkünfte zur Verfügung. Diese
von Mauern umgebens Stadt bietet einen imposanten Palast mit einem sehr
schönen verspiegelten Pavillon, den Aina Mahal über dem Hamirsar Lake.
Das Kutch Museum ist eines der ältesten Gujarats und beherbergt eine
interessante Sammlung von indo-sky-thischen Inschriften, Silber,
Schmuck, Münzen und Emaillearbeiten. Die faszinierende Galerie der
Stammeskünste ist eine hervorragende Einführung in die Gemeinschaften,
die in der Rann leben: die Rabbari, Debariyas, Gracias und Sodhas. Die
Bhuj am nächsten gelegenen Stammesdörfer sind Hodka, Dhordo und Bhujodi.
Die Stadt ist ein Gewirr von schmalen Starßen mit hübsch de korierten
Häusern. In der Region findet man bestickte Steppdecken, Wollschals mit
sogenannten Bandhini-Mustern (Polkatupfen), Decken mit brillanten Farben
und bedruckte Ajrak-Stoffe.
Gegenüber von Kandla, auf der anderen Seite des Golfs von Kutch und an
der Küste nahe Bhuj liegt Jamnagar, eine industrialisierte Stadt mit
einem florierenden Hafen. Sie war einst die Hauptstadt eines 1540
gegründeten Fürstentums und besteht nun aus einer Reihe von Siedlungen
mit Zementwerken, Entsalzungsanlagen, Textilfabriken und
Perlenfischereien. Doch auf dem Markt sind immer noch handgefertigte
Dinge zu haben: etwa bedruckte Stoffe, Stickereien, Metallgegenstände
und Silberschmuck. Die Kotha Bastion des Lakhotia Palace steht inmitten
eines Sees und ist auf einer Steinbrücke zu erreichen. Die Kotha, einst
eine große Unterkunft für 1000 Soldaten, ist nun ein Museum. Ein
interessantes Merkmal der Bastion sind die unterirdischen Brunnen mit
Saugpumpen, die das Wasser ansteigen lassen. Das Museum stellt
Skulpturen aus dem 11. bis zum 18. Jhrhundert aus und einige herrliche
Töpferwaren, die auf den Beginn der christlichen Ära datiert werden.
Jamnagar verfügt über ein 1933 im Ranjit Institute of Polyradiotherapy
errichtetes Solarium, das bei der Heilung von Hautkrankheiten wirksam
und das einzige seiner Art in Indien ist. Und das Ayurvedic College hat
viel dazu beigetragen, das Interesse an den traditionellen indischen
Kräuterheilmethoden wiederzubeleben.
Mahatma Gandhis Vater war Premierminister des ehemaligen Bundesstaates
Rajkot, und Gandhi verbrachte dort einen Teil seiner Kindheit. Die Stadt
entwickelt sich schnell zu einer modernen Metropole. Sie verfügt über
breite Alleen, hübsche Gärten und einen herrlichen alten Basar, der
wegen seiner Gasse der Juweliere berühmt ist. Das Rajkumar College, 1875
gegründet, ist eine der bekannteren Schulen, und das Watson’s Museum
beherbergt eine Antiquitätensammlung. Das Sheni Memorial Bird Hospital
ist das einzige Vogelkrankenhaus Indiens.
Junagarh verdankt seinen Ruhm dem Nawab, der sich weigerte, der
indischen Union 1947 beizutreten, und nach Pakistan floh. Sein Palast,
der Durbar, ist sehr schön, und das Museum verfügt über eine
bemerkenswerte Sammlung von Skulpturen. Das Uparkot Fort östlich der
Stadt hat ein herrliches Toran (Tor), durch das man eine Reihe von
buddhistischen Höhlen und Klöstern aus dem 4. Jahrhundert betritt. Die
Lilliam Tope, eine Kanone aus dem 16. Jahrhundert, stammt aus dem alten
portugiesischen Territorium Diu und wurde hier von Mogul-Armeen
hinterlassen.
Mount Girnar, der höchste Gipfel von Saurashtra, erhebt sich über
Junagadh. Einer von Kaiser Ashokas berühmten Steinen, ein neun mal sechs
Meter messender Block, liegt auf dem Weg nach oben. Er stammt aus dem 3.
Jahrhundert v. Chr. und trägt 14 Erlässe mit der Unterschrift von Ashoka
sowie einen Erlaß seines Vaters Chandragupta. In der Nähe befindet sich
Damodar Kund, ein den Hindus heiliger See, der die Überreste ihrer Toten
aufnimmt. Begibt man sich nach etwa 2000 Stufen (einem Viertel des
Aufstiegs) auf die Ostseite des Berges, sieht man eine Reihe von 16
Jain-Tempeln, die im 12. Jahrhundert aus Marmor erbaut wurden. Der
Sasangir Forest, auf dem Weg von Junagadh zur Küste gelegen, ist das
einzige Reservat des indischen Löwen. Der Wald war ein Teil der
Junagadh-Territorien, in denen königliche Jogden abgehalten wurden.
Zu den anderen Tieren, die man beobachten kann, gehören Panther, Hyänen,
Keiler, Sambars und vierhörnige Antilopen. Von Sasan am Waldesrand aus
kann man die Tulsisyam Hot Springs und den Tempel von Bhim besuchen,
dessen legendäre Anfänge auf das bekannte indische Epos Mahabharata
zurückgehen.
Von Gir geht es entweder in nord-westlicher Richtung zur Spitze der
Kathiawar-Halbinsel weiter, nach Dwarka, dem Land Krischnas, oder
nordwestlich nach Palitana mit seinen Jain-Tempeln. Palitana ist das
wichtigste Zentrum der Jain-Pilger. Vom unter sieht der Gipfel von Mount
Satrunjaya wie eine mehr zackige Krone aus. Vom höchsten Punkt des
Gipfels aus betrachtet verschwinden die Türme und Höfe der 863 kleinen
und großen Tempel, jeweils von einigen Bäumen getrennt und zwischen dem
11. und 16. Jahrhundert erbaut, in der Entfernung. Es ist ein
außergewöhnlicher Komplex mit skulpturierten Türmen, befestigten Straßen
und Rampen sowie Wassertürmen. Jeder Jain hofft, wenigstens einmal in
seinem Leben Palitana zu erreichen, um den Segen der 24 Tirthankaras
(Weisen) zu erhalten.
Der kunstvoll dekorierte Tempel von Lord Adishwara mit seinen besonders
schönen Decken, Statuen von feuerspeienden Drachen und einer
viergesichtigen Statue des Gottes ist das oberste Heiligtum. Er steht an
der Stelle, wo Adishwara, der erste der Tirthankars, Erleuchtung
erlangte. Weiter geht es in südlicher Richtung die Küste entlang, an
Fischerdörfern vorbei nach Diu, einer Insel vor der Küste Kathiawars.
Die Insel gehörte den Portugiesen von 1536 bis 1961. Es gibt hier nur
wenig zu besichtigen: Überbleibsel eines alten Forts, einige Häuser und
Kirchen. Doch die Strände sind schön. Die Küstenstraße führt durch
Chorwad, dessen Flughafen in Keshod eine Verbindung mit Bombay
herstellt, und Verawal, bis vor kurzem ein ruhiges Fischerdorf und nun
ein bedeutender Fischexporthafen.
In der Nähe der Küste verkehren kleine Boot mit Außenbordern, doch in
der Ferne sieht man die riesigen Schiffs-körper schwimmender
Fischfabriken, die einige Tage auf See bleiben. Die Küstenregion
Gujarats verdankt ihren Boom Japans Bedarf an Meeresfrüchten. DerTempel
von Somnath (Prabhas Patan) steht nur wenige Kilometer von Verawal
entfernt am Strand. Einer der zwölf heiligen Jyotir Lingas (phallusförmige
Symbole Schiwas) soll hier aufgetaucht sein, worauf Somnath seine
Heiligkeit zurückführt.
Der Tempel, den man heute sieht, ist nicht sehr alt und eine Kopie des
Originals. Der Legende zufolge wurde er vom Mondgott Soma aus reinem
Gold erbaut, als Strafe für Schiwa, der in einem Wutanfall den Mond aus
Kailash, dem hinduistischen Olymp, verbannt hatte. Soma kehrte nie nach
Kailash zurück, doch sein Tempel und dessen Schätze zogen die
Aufmerksamkeit von Mohammed von Ghazni an, der während einer seiner
Blitzinvasionen Indiens den Tempel zerstörte und dessen Schätze
davontrug, darunter die zwei brillantesten Riesensäulen und der berühmte
goldene Shiva Linga. Es heißt, daß im Tempel 300 Musiker und 500 Tänzer
die Götter unterhielten und 2000 Priester den ganzen Tag mit Gebeten
beschäftigt waren. Das nahe Archaeological Museum beherbergt eine
herrliche Sammlung alter Skulpturen aus dem Originaltempel. Ein Pfad
rechts vom Tempel führt zum Parasuram Tapobhumi, der einer der
Inkarnationen Wischnus geweiht ist. Auf der linken Seite steht Sarada
Math, der Tempel des Weisen Shankaracharya, und in der Nähe der Suraj
Mandir. Dieser Tempel des Sonnengottes erhebt sich über der Stelle, wo
Krischna irrtümlicherweise für einen Hirsch gehalten worden sein soll
und versehentlich von Jara getötet wurde (einem Angehörigen der Bhil,
einer der ältesten ethnischen Gemeinschaften des Landes). Die Statuen
von Surya und seiner Gattin Sanga Devi sind handwerklich vollendet, und
der Tempel gilt als heilig, da er auf einem Sangam (Zusammenfluß dreier
Flüsse) errichtet wurde: jenem von Saraswati, Kapila und Hiranya.
Hindu-Pilger reisen zu diesem Tempel und baden im Gewässer des Sangam,
denn dies ist Prabhas Tirtha, das Land der Götter, und Somnath gilt als
einer der geiligsten hinduistischen Tempel.
Porbandar ist wahrscheinlich das alte Sudamapuri der Legende, jene
Stadt, die von Krischnas Bruder Sudama erbaut worden sein soll. Doch es
ist Kirti
Mandir, das Geburtshaus von Mahatma Gandhi, das den Ruhm von Porbandar
ausmacht; es steht auf dem Weg nach Dwarka an der Küste. Das Haus ist
nun ein Museum mit einer fotografischen Ausstellung von Gandhis Leben
und einigen persönlichen Dingen aus seinem Besitz, darunter das berühmte
Spinnrad. In der Gebetshalle finden jeden Tag Versammlungen statt, eine
von Mahatma Gandhi eingeführte Tradition.
Der Dwarkadish Tempel am Nordufer des Gomti-Flusses scheint sich auf
wundersame Weise aus dem Arabischen Meer zu erheben. Es heißt, daß der
Tempel in einer Nacht von Krischnas Enkel Vajranabha errichtet wurde.
Eine außerordentliche Leistung in der Tat, denn das imposante
fünfstöckige Gebäude ist innen und außen auf herrliche Weise
ornamentiert. 60 skulpturierte Säulen stützen das gewölbte Doch, und der
konische Turm erhebt sich 53 Meter über das Tor, das mit einer
beeindrukkenden Statue von Ganesch, dem Dwarpal (Türwächter der Götter),
versehen ist.
Fünf Süßwasserquellen fließen in die Salzwasserbucht, die Krischna
selbst geschaffen haben soll, und eine kurze Bootfahrt auf dem Meer
bringt Besucher zu einem Krischna geweihten Tempel auf der Insel Bait.
Gujarat ist in der Tat aufregend. Innerhalb kurzer Zeit gelangt man vom
Land der Legenden, der Geschichte und des herrlichsten Kunsthandwerks zu
den neuen Kulturen eines modernen, technologischen Bundes-staates.
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