NDIEN ALS
KULTURELLE DREHSCHEIBE
Als Machtzentrum verschiedener
Herr-scherdynastien Indiens hat Delhi seit jeher Maler, Musiker, Tänzer und
Handwerker aus allen Landesteilen angezogen, aber noch nie waren es so viele
wie heute. Als die Fürstenstaaten und großen Grundbesitztümer nach der
Unabhängigkeit abgeschafft wurden, verloren die indischen Künstler mit einem
Mal ihre traditionellen Auftraggeber. An deren Stelle traten bald Politiker,
Kulturinstitute, Industrielle und Diplomaten. So verfügt Delhi heute mit
Abstand über das vielfältigste kulturelle Angebot mit den besten klassischen
und traditionellen Darbietungen in Tanz, Musik und Theater.
Ein Blick in den Kulturteil der Zeitung genügt, um zu erfahren, was gerade auf
dem Programm steht: Der Indian Express und die Times of India bringen
regelmäßig samstags bzw. freitags eine umfassende Übersicht über alle
Kulturereignisse der kommenden Woche mit Informationen zu den Veranstaltungen.
Die Kulturhochburg Delhis liegt im
Stadtzentrum zwischen der Barakhamba Road und Ferozeshah Road. Hier befinden
sich der Kamani- und FICCI-Fest-saal sowie das Shri Ram Centre, die den Rahmen
für kulturelle Großveranstaltungen liefern. Ganz in der Nähe liegt das Triveni
Kala Sangam mit seinen Kunstgalerien und einem beliebten Café sowie die von der
Regierung finanzierte Kultur-akademie Rabindra Bhavan, die Kunstausstellungen,
Theater-, Tanz- und Musikfestivals auf die Beine stellt.
Zu den alljährlichen Höhepunkten zählen vier Festivals für klassische Musik:
Shankarlal, Tansen und Dhrupad im Februar und März sowie Vishnu Digamber im
August. Die berühmtesten Musiker Indiens, Vertreter der verschiedenen gharanas
(Schulen), nehmen daran teil. Es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, da
die Konzerte meist spät beginnen und bis tief in die Nacht andauern. Oft wird
der zeitliche Rahmen gesprengt, wenn die Musiker so richtig in Fahrt kommen und
das Publikum wie gebannt lauscht. Vom Indian Council for Cultural Relations (ICCR)
wird alljährlich eine phantasievolle Reihe mit Musik- und Tanzdarbietungen
organisiert, die die indische Tradition in der darstel-lenden Kunst
verdeutlicht.
Das Theaterangebot in Delhi ist breit gefächert und reicht von Moliere und
Brecht über modernes Regionaltheater bis hin zu experimentellen Stücken.
Daneben existieren die uralten, aber nach wie vor lebendigen Volksformen wie
etwa das Puppentheater aus Karnataka und Rajasthan. Führende Tänzer der großen
klassischen Stilrichtungen geben in Delhi regelmäßig Vorstellungen. Achten Sie
vor allem auf Alarmel Valli, Leela Samson und Swapna Sundari (Bharata Natyam),
Sonal Mansingh, Madhavi Muudgal und Sanjukta Panigrahi (Odissi), (Birju), Birju
Maharaj und Saswati Sen (Kathak), Singhajit und Charu Singh (Manipuri) sowie
Raja und Radha Reddy (Kuchipudi), Die gehobene Gesellschaft ist bei diesen
Ereignissen zuhauf zu finden – ,,Sehen und gesehen werden“ lautet das Motto.
Das Ausstellungsgelände Pragati Maidan ist ein weiteres Zentrum kultureller
Aktivitäten, von Kunstfilmen über regionales Theater bis in zu Auftritten
vielversprechender junger Tänzer. Beim Janamashtami Festival im August, dem
Geburtsfest von Krishna, werden Ballettvorstellungen im Kathak-Stil gegeben und
Szenen aus dem Leben Krishnas gespielt. Im Oktober findet das in Delhi
kunstvoll gefeierte Dussehra statt. Während des gesamten Festmonats wird im
Feroze Shah Kotla ein Ram-Lila-Ballett aufgeführt, das Episoden aus dem
Nationalepos Ramayana nachstellt und die dramatische Geschichte des Kampfes
zwischen dem Gott Rama und dem Dämonenkönig Ravana erzählt. Im November folgt
das Lichterfest Diwali, zu dem in den Talkatora-Gärten ein zauberhafter Diwali
Mela (Jahrmarkt) stattfindet.
Surajkund, die Ruine eines Sonnentempels aus dem 10. Jahrhundert am Stadtrand
von Delhi, ist im Februar Schauplatz eines weiteren geschäftigen Jahrmarkts:
Der Surajkund Crafts Mela zieht Kunsthandwerker aus ganz Indien an, die einen
Monat lang hier ihre Waren herstellen und feilbieten.
In jedem ungeraden Jahr findet in Delhi ein internationales Filmfestival statt.
Daneben zeigen die Kulturinstitute ausländischer Botschaften regelmäßig
ausländische Filme und Ausstellungen. Polospiele, Blumenausstellungen (die
Schönste ist im Februar im Alten Fort) und ein Oldtimer-Rennen sorgen zwischen
Dezember und Februar für Unterhaltung und erinnern an Delhis Blüte zur Zeit des
britischen Raj.
Die Publikumswirksamste Veranstaltung ist jedoch die alljährliche Parade am
Republic Day, wenn Hunderttausende zum India Gate strömen, um dem spektakulären
Aufmarsch von Soldaten und Panzern, Kamelkorps und Kavallerie, Blaskapellen und
Volkstänzern, Schulkindern und ordenbehangenen Kriegsveteranen beizuwohnen.
Das Aufwühlen des Milchmeeres (Kumbh
Mela)
Indra, der Gott des Regens und einst Gott des Himmels, erhielt von dem Weisen
Durvaras einen Kranz als Geschenk, doch kränkte er den alten Mann, indem er den
Kranz seinem Elefanten gab, der ihn zu Boden warf. Durvaras verfluchte in
seiner Wut den Gott und sagte ihm voraus, daß sein Reich von Ruin heimgesucht
würde. Fast sofort begannen Indras Mächte zu schwinden, seltsame und
furchterregende Dinge wurden gesehen, und die Götter befürchteten, daß sie ihre
Unsterblichkeit verlieren könnten und die Asuras (Dämonen) zum Kailash – dem
hinduistischen Olymp vordringen würden. Sie baten deshalb Wischnu um Hilfe. Der
Bewahrer des Lebens riet ihnen, sich mit den Feinden, den bösen Dämonen, zu
vereinen, Kräuter und Pflanzen zu sammeln und sie in ein Meer aus Milch zu
werfen, durch dessen Stampfen das Amrit (die Quelle aller Stärke und
Unsterblichkeit) entstehen würde. Sie sollten den heiligen Berg Mandara als
Rührstab verwenden, die Schlange Vasuki, um den Berg gewickelt, als Seil, und
in der Mitte des Meeres fungierte Wischnu in Schildkrötengestalt als Drehzapfen
des Rührstabes. Wischnu sagte: ,,lch werde dafür sorgen, daß eure Feinde an
eurer Mühe teilhaben werden, jedoch nicht an nicht an ihrer Belohnung, indem
sie vom Trank der Unsterblichkeit kosten. “Und so zogen die Götter am Kopf der
Schlange und die Dämonen an ihrem Schwanz, und Mandara drehte sich rasch hin
und her. Während das Meer aus Milch schäumte, kamen die heilige Kuh zum
Vorschein, Fontänen von Milch und Butter sowie Parijata (der Baum des
Paradieses) mit seinen duftenden Blüten. Der Mond erhob sich aus dem Meer und
ließ sich auf Schiwas Stirn nieder. Ein schreckliches Gift trat dann aus dem
Wasser hervor und drohte, die Erde zu zerstören. Schiwa öffnete seinen Mund und
nahm das Gift auf.
Als sich das Wasser zu beruhigen begann, erschien Dhanavanti, der Arzt der
Götter, den Kumbh (Topf lebenspendenden Nektars) tragend. Die Götter griffen
danach, und die Dämonen wollten sich auch dessen bemächtigen. Krieg war
unausweichlich. Wischnu rief Sri, die Göttin der Schönheit. Die Dämonen
beobachteten wie gebannt, wie die Schönheit auf einem Lotus sitzend aus dem
Wasser auftauchte. Wischnu überreichte den Nektar den Göttern, wodurch ihre
Unsterblichkeit wiederhergestellt wurde.
Die Legende ist ein Teil der komplexen Hindu-Sage von der Schöpfung der Welt
und zeigt die Beschäftigung der Hindus mit der Kraft der Medizin und dem
Konzept der Sterblichkeit/Unsterblichkeit.
Millionen von Menschen aus ganz Indien baden während des Kumbh Mela im Wasser
des heiligen Sipra. Die Luft ist voller Weihrauch, und das Klingeln der Glocken
sowie die Schreie der Verkäufer sorgen für einen hohen Geräuschpegel. Der Lärm,
das Gedränge und der Schmutz des Festivals sind nichts für die Empfindsamen.
Doch da es der Wunsch sämtlicher frommen Hindus ist, jede der sieben heiligen
Städte wenigstens einmal in seinem Leben zu besuchen, ist Ujjain immer voller
Pilger, und es gibt monatlich ein Fest. Das Kommen und Gehen der Gläubigen ist
malerisch und farbenprächtig; manchmal handelt es sich um eine Handvoll,
manchmal um Hunderte. Sie drängen sich am frühen Morgen um die Ghats und baden,
beten, bringen Opfergaben wie Kokosnüsse und Blumen dar und füttern die
heiligen Schildkröten an den Stufen, die zum Fluß führen. Und am Abend treiben
Millionen von angezündeten Divas (winzigen Tonlampen) auf dem Fluß, während man
die Priester in den Tempeln die 1000 Namen Schiwas ausrufen hört.
Mehr über die Feste in Indien erfahren Sie hier
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