Mit seiner Vielfalt steht das nordöstliche
Grenzgebiet im Vergleich zu den anderen Bundesstaaten des
Subkonitinentes an der Spitze, in Bezug auf die Besucherzahlen
jedoch an letzter Stelle. Vor der Unabhängigkeit gehörte das
ganze Gebiet zur Provinz Assam. Später wurde es in fünf
Einzelstaaten und zwei Unionsterritorien (Mizoram und
Arunachal Pradesh) aufgeteilt. Dieses nordöstliche Grenzgebiet
unterscheidet sich vom Rest des Landes in vielerlei Hinsicht.
Zum Beispiel ist es das Gebiet, in dem die
meisten verschiedenen Stämme mit unterschiedlichen Sprachen
und Dialekten leben. Allein in Arunachal Pradesh werden 50
verschiedene Sprachen gesprochen. Zwischen diesen
Bevölkerungsgruppen und den Bergstämmen am östlichen Ende des
Himalaya sowie weiter bis Burma und Thailand und bis nach Laos
hinein bestehen mehr Ähnlichkeiten als mit den übrigen
Bewohnern Indiens. Die Menschen des nordöstlichen
Grenzgebietes sind überwiegend Christen, besonders in den
einsamen Gegenden, wo vornehmlich Bergstämme leben.
Aus vielerlei Gründen ist die
Zentralregierung empfindlich, wenn es sich um dieses Grenzgebiet handelt.
Diese Empfindlichkeit verstärkte sich in den Jahren 1980-1981
noch dramatisch, sodass ein Besuch dort nicht ganz einfach ist.
Zunächst ist das nordöstliche Grenzgebiet eine sehr sensible
Region, da es an Bhutan, China, Burma und Bangladesch grenzt.
Sie ist zwar wichtig für Indien, liegt aber aufgrund ihrer
geographischen Lage abseits vom restlichen Teil Indiens. Nur
durch den engen Korridor von Siliguri ist das Gebiet mit dem
übrigen Teil des Subkontinentes verbunden. Vor der
Unabhängigkeit war das anders, da führte die Hauptroute nach
Assam durch Bangladesh. Die Straßen wurden zwar verbessert,
sogar sehr gut, aber im Verhältnis zum restlichen Landesteil
gibt es nicht genug Straßen. Daher entschloss sich die indische
Regierung, nur wenige Besucher in dieses Gebiet zu lassen, und
beschränkte den Aufenthalt noch auf Assam und Meghalaya. Die
anderen fünf Regionen, die alle an China und Burma grenzen,
sind für Touristen gesperrt. Aber auch für eine Reise nach
Assam und Meghalaya benötigen Sie eine Sondergenehmigung. Die
bekommen Sie jedoch problemlos, wenn Sie sich bestimmte und
interessante Sehenswürdigkeiten ansehen wollen. Die sich seit
1980 zuspitzenden Ereignisse hatten eine fast vollständige
Abriegelung zur Folge. Der indischen Regierung bereitet die
neue Entwicklung großes Kopfzerbrechen, und das nordöstliche
Grenzgebiet ist mittlerweile die kritischste Region des
Subkontinentes. Es erwachsen mehr und mehr Schwierigkeiten,
hier überhaupt die Regierungsgewalt zu bewahren. Streiks,
Aufstände, Gewalttätigkeiten und Terrorismus sind an der
Tagesordnung. Das geht sogar so weit, dass häufig die Flüge der Indian Airlines in dieses Gebiet abgesagt werden müssen. Grund
für Unruhe gibt es genug. Man fühlt sich von der
Zentralregierung ins Abseits geschoben, die Transportwege sind
mangelhaft, und die Entwicklung der Infrastruktur lässt
ebenfalls zu wünschen übrig. Verschlimmert wurde alles noch
durch die steigenden Ölpreise, denn in Assam wird ein großer
Teil des Öls für Indien gefördert. Dieser Tatsache trägt man –
so ist jedenfalls die Meinung der Einwohner im nordöstlichen
Grenzgebiet – viel zu wenig Rechnung. Nur ein geringer Teil
des Gewinns, den man durch das Öl bekommt, fließt nach Assam
zurück, um die industrielle Entwicklung zu fördern. Die Folge
ist, dass die ganze Region zum großen Teil von der
Landwirtschaft lebt. Dass man sich in dieser Ecke des Subkontinents vernachlässigt fühlt, ist jedoch nur ein Grund
für die Unruhen. Bedeutender ist die “Überfremdung”. Die
Entwicklung in Bangladesch, dem Land südöstlich dieses
Gebietes, und die unverminderte Zunahme der Geburten ließ
Tausende von Bengalis über die Grenzen flüchten, denn die
Grenzen sind viel zu wenig bewacht, als dass man dies
unterbinden könnte. Diese Tatsache führte dazu, dass die
eingewanderten Bengalis in manchen Teilen dieser Region die
Einheimischen an Zahl überrundet haben. Forderungen wie
“Repatriierung der Bengalis” waren Zündstoff für die Unruhen
der jüngsten Vergangenheit. Sicherlich ist man sich im Klaren
darüber, dass eine Rückführung aller Fremden unmöglich ist,
insbesondere derjenigen, die schon seit Generationen als
Zugereiste in diesem Gebiet Heimat fanden. Hierbei spielt es
keine Rolle, ob sie legal oder illegal einreisten. Das Jahr
1983 brachte grausame Massaker in einigen Städten, aber in der
letzten Zeit scheint es ruhiger geworden zu sein. Auch mögen
die Ereignisse im Punjab und Kashmir abgelenkt haben. Dennoch:
Der Zugang zum Nordosten scheint wieder einfacher. |